“Wir bekennen nicht, wir handeln!”
vom 6. Oktober 2011 in Kategorie: Pressemitteilung
Die politische Einflussnahme staatlicher Behörden auf die Demokratie- und Menschenrechtsarbeit zivilgesellschaftlicher Initiativen und Fachträger hat insbesondere seit dem Antritt der schwarz-gelben Bundesregierung ein inakzeptables Ausmaß angenommen.
Dies zeigt sich zum Beispiel
” in der Missachtung der Notwendigkeit einer breiten unabhängigen zivilgesellschaftlichen Engagementstruktur und damit einer demokratischen Kultur insgesamt,
” in Vereinnahmungsversuchen seitens staatlicher Institutionen (Verfassungsschutz, Bundeswehr etc.) originär zivilgesellschaftlicher Arbeitsfeldern (Demokratiebildung, Engagementstärkung),
” oder in der Zunahme an unverhältnismäßigen Kontrollinstrumenten in der Vergabepraxis von Fördergeldern an zivilgesellschaftliche Träger.
Wes Brot ich ess, des Lied ich sing?
Vor einem Jahr, am 06. Oktober 2010, verkündete Bundesfamilienministerin Kristina Schröder über Twitter, dass sie in Zukunft von “Initiativen gegen Rechtsextremismus, Linksextremismus oder Islamismus ein Bekenntnis zu unserer Verfassung verlangen” werde. Das angekündigte Kontrollinstrument wurde umgesetzt – in Form einer so genannten Demokratieerklärung, die mit dem Zuwendungsbescheid an die Träger ausgereicht wurde: Wer staatliche Fördergelder bezieht, muss sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen und für die Verfassungstreue seiner Kooperationspartner bürgen. Wer nicht unterschreibt, erhält kein Geld und macht sich aus Sicht der Bundesregierung politisch verdächtig.
Der anhaltende bundesweite Protest gegen die Verwaltungspraxis des Bundesfamilienministeriums zeigt, dass hier ein empfindlicher Eingriff in die Handlungsfreiheit zivilgesellschaftlicher Initiativen vorgenommen wird: Eine Ministerialverwaltung nimmt direkt Einfluss auf den Meinungs- und Handlungsspielraum von Freien Trägern. Dabei ist die “Extremismusklausel” nur ein Effekt einer langen Entwicklung hin zur Verstaatlichung der Zivilgesellschaft.
Zivilgesellschaft ist kein Subunternehmen des Staates!
Eine aktive und breite demokratische Initiativlandschaft ist ein unabdingbarer Bestandteil für die Entwicklung einer demokratischen Kultur. Zivilgesellschaftliche Arbeit besitzt eine notwendige Kritik- und Kontrollfunktion gegenüber staatlichem Handeln. Wer den Handlungsspielraum von nicht-staatlichen Initiativen einengt und zivilgesellschaftliches Engagement unter Verdacht stellt, betreibt einen anhaltenden Demokratieabbau. Demokratie schöpft ihr Potential zur Weitenentwicklung aus ihrer Kritik- und damit Veränderungsfähigkeit. Ein rein staatsfixiertes Demokratieverständnis, was die Beteiligung der Bürger_innen auf Wahlen beschränkt, kann keine gestalterische Kraft entwickeln.
Wir fordern:
” die sofortige Rücknahme der so genannten Demokratieerklärung in der Vergabepraxis des Bundes und des Freistaates Sachsen
” sowie Vertrauen und Handlungsfreiheit für die anhaltend schwierige zivilgesellschaftliche Arbeit gegen menschenverachtende Entwicklungen in der Gesellschaft!
Beschluss der Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung, 28.9.2011