NPD-Wahlkampf in Vorpommern erneut gewalttätig
vom 6. September 2016 in Kategorie: Pressemitteilung
Das Straßenbild vor Wahlen in einigen Regionen Mecklenburg-Vorpommerns ist hinlänglich bekannt. So säumten auch am 12. August 2016 fast ausschließlich Plakate der NPD die Wege im Osten Vorpommerns. Auch nicht neu die Tatsache, dass NPD-Aktivist_innen ihre Plakate „bestreifen“ um Beschädigungen festzustellen und ggf. zu “ahnden”. So fuhr auch der aus Ueckermünde stammende ehemalige Landtagsabgeordnete Tino Müller mit einem seiner Kinder auf dem Beifahrersitz die Straßen Eggesins entlang, als er eine Frau an einem großen NPD-Plakate entdeckte.
Den Schilderungen des Rechtsanwalts der Betroffenen, Dr. Vasco Reuss, zufolge, ging es dann ganz schnell. Müller wäre mit seinem Transporter direkt auf sie zu gefahren und habe dabei ihr Fahrrad gerammt, das vor ihr stand. Sie selbst habe sich durch einen Sprung zur Seite in Sicherheit bringen können.
Anschließend, heißt es weiter, wäre der NPD-Mann ausgestiegen, hätte sie unter anderem als „linke Göre“ beschimpft und ihr Fahrrad festgehalten, um sie am wegfahren zu hindern. Zudem habe er mit mehreren Leuten telefoniert, denen er unter anderem von „linkem Gesindel, dem man es mal zeigen muss“, berichtete. Reuss weiter: »Erst als meine Mandantin selbst die Absicht äußerte, die Polizei zu involvieren, rief der Beschuldigte eben jene, um Anzeige wegen Sachbeschädigung zu erstatten. Vorher schien es, als habe er »Kameraden« herbei telefonieren wollen, um die Sache selbst in die Hand zu nehmen“. Eingeschüchtert und verängstigt rief dann auch die Betroffene die Polizei, die erst eintraf, nachdem bereits der Bruder des 38-Jährigen Neonazis am Tatort erschienen war.
Nun wird offensichtlich gegen die Frau wegen Sachbeschädigung und falscher Verdächtigung ermittelt. Ob gegen Müller ebenfalls Ermittlungen eingeleitet wurden, ist aktuell nicht bekannt.
„Es ist kein Geheimnis, dass NPD-Anhänger im Wahlkampf besonders aggressiv gegen ihre vermeintlichen politischen Gegner vorgehen, wenn sie sich in Sicherheit wähnen.“ sagt Robert Schiedewitz, Mitarbeiter der Beratungsorganisation LOBBI. Und der Angriff in Eggesin war nicht das einzige Vorkommnis am 12.08.2016. Ein weiterer Urlauber berichtete, in der Stadt Usedom von einem Mann zu Boden gedrückt und geschlagen worden zu sein, weil er durch diesen verdächtigt wurde, NPD-Plakate abgerissen zu haben. Der Täter soll auch hier ein bekannter NPD-Aktivist aus der Region gewesen sein. Die Öffentlichkeit erfuhr davon bislang nichts.
„Selbst wenn Plakate beschädigt worden sind, rechtfertigt dies nicht die Selbstjustiz entnervter, rechter Wahlkämpfer. Außerdem es ist nicht nachvollziehbar, warum derartige Vorfälle verschwiegen werden“, so Schiedewitz. Durch dieses Vorgehen der Behörden würden den Betroffenen wichtige Unterstützungsmöglichkeiten verwehrt und eine öffentliche Auseinandersetzung mit der gewalttätigen rechten Szene im Urlaubsland Mecklenburg-Vorpommern vermieden. Der LOBBI-Mitarbeiter weiter: „Die Vorfälle unterstreichen, dass die rechte Szene sich unabhängig von Wahlergebnissen der NPD in manchen Landesteilen frei von Recht und Gesetz wähnt und immer wieder als Ordnungstruppe aufspielt.“