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Rechte Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern 2019 – Gefährliche Gewöhnung
vom 26. März 2020 in Kategorie: Jahresbericht, Pressemitteilung
Niveau rechter Gewalt bleibt hoch – wieder Angriffe auf Minderjährige, auch in der Schule – Hauptmotiv bleibt Rassismus
Im Jahr 2019 registrierte die LOBBI 89 rechte Angriffe, von denen 127 Menschen direkt betroffen waren. Die Zahl der Gewalttaten, die von Neonazis und Rassist*innen im Bundesland begangen wurden, liegt somit in etwa im Bereich des Vorjahres (96 Angriffe) und weiterhin über dem Niveau vor 2015, als eine rassistische Mobilisierungswelle begann.
Das häufigste Tatmotiv ist nach wie vor Rassismus (64 Angriffe). Attackiert wurden aber auch Menschen, die von der rechten Szene als Gegner*innen wahrgenommen werden (9 Angriffe) sowie nicht-rechte oder alternative Personen (7 Angriffe) . In mindestens 5 Fällen nahmen die Täter die (vermeintliche) sexuelle Orientierung oder Identität der Betroffenen zum Anlass, sie anzugreifen.
»Die reinen Zahlen geben im Vergleich zum Vorjahr wenig neue Auskünfte. Dennoch sehen wir unsere damalige Einschätzung bestätigt, dass nicht von einer Beruhigung ausgegangen werden kann.« sagt Robert Schiedewitz, Mitarbeiter der LOBBI. »Das politische Klima deutet zudem darauf hin, dass zukünftig mit weiteren Angriffen zu rechnen ist. So entstehen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie nicht nur neue Verschwörungstheorien, auch rassistisch aufgeladene Schuldzuweisungen haben Konjunktur. Es ist zu befürchten, dass den in sozialen Medien verbreiteten Beschuldigungen etwa gegenüber Nachbar*innen oder Reinigungskräften auch Angriffe folgen könnten.«
Im vergangenen Jahr wurden – häufiger als noch vor wenigen Jahren – Kinder und Jugendliche zum Angriffsziel (mindestens 36 Betroffene). Nicht selten fanden diese Attacken im Schulkontext statt.
Die Hansestadt Rostock bleibt landesweit die Schwerpunktregion rechter Angriffe, auch wenn die Zahl mit 22 Attacken nach dem dramatischen Anstieg 2018 (35) wieder deutlich zurückgegangen ist. Es bleibt jedoch erneut anzumerken, dass die LOBBI besonders dort von Angriffen erfährt, wo funktionierende Netzwerke existieren. Immer häufiger fehlen im Arbeitsalltag jedoch Ansätze, Kontakt zu Betroffenen herzustellen und überhaupt ein Beratungsangebot zu unterbreiten – insbesondere dort, wo kaum noch zivilgesellschaftliche Akteure in Erscheinung treten, die oft die wichtigsten Kontaktbrücken zu den direkt Betroffenen sind.
So entsteht ein großes Dunkelfeld. Damit sind Angriffe gemeint, die nicht zur Anzeige bei den Behörden gebracht und auch der LOBBI nicht vertraulich gemeldet werden. Dies kann an Unsicherheiten in Folge des Angriffs liegen oder schlichtweg daran, dass ein Gewöhnungseffekt eingetreten ist. »Betroffene nehmen selbst tätliche Angriffe oft nur noch als weitere Feindseligkeit wahr, wie sie sie alltäglich erleben müssen. Gleichzeitig beobachten sie, dass Angriffe in der Öffentlichkeit bagatellisiert oder gar nicht thematisiert werden. Wenn dann auch noch die Erwartungen in ein mögliches Ermittlungsverfahren gen Null gehen, ergibt eine Anzeige für sie wenig Sinn.«
Die LOBBI hat im vergangenen Jahr insgesamt 370 Menschen beraten. Dies waren Betroffene, die 2019 oder bereits in den Vorjahren angegriffen wurden. Aber auch Personen aus deren sozialem Umfeld zählten zu den Beratungsnehmer*innen. »Die Beratungsverhältnisse erstrecken sich nicht selten über Zeiträume von deutlich über einem Jahr. Das liegt nicht zuletzt an der Dauer der Ermittlungsverfahren und daran, dass Gerichtsverhandlungen mitunter erst zwei Jahre nach der eigentlichen Tat stattfinden.«
Hervorzuheben ist die hohe Zahl an Tätigkeiten jenseits der Gewaltberatung. Dies meint Fälle, in denen die Mitarbeiter*innen der LOBBI zu rechten Anfeindungen oder Vorkommnissen beraten, die unterhalb der Gewaltschwelle liegen. Im vergangenen Jahr betraf dies ganz besonders den Umgang mit dem »Nordkreuz«- Komplex. Mehr als 80 Personen wandten sich an die Berater*innen, weil ihr Name auf den Feindeslisten des rechtsterroristischen Netzwerks stand.
Aber auch generell nimmt die Thematisierung rechten Terrors in der Beratung zu.
»Gerade ehemalige und potentiell Betroffene reagieren äußerst feinfühlig auf Ereignisse wie dem Mord an dem hessischen CDU-Politiker Lübcke. Nach den Anschlägen von Halle und Hanau ist mit weiterer erheblicher Verunsicherung zu rechnen. Diese wirkt sich selbstverständlich auch auf Unterstützer*innen aus, die den Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt vielerorts immer häufiger fehlen.«, schließt Schiedewitz.
»Die reinen Zahlen geben im Vergleich zum Vorjahr wenig neue Auskünfte. Dennoch sehen wir unsere damalige Einschätzung bestätigt, dass nicht von einer Beruhigung ausgegangen werden kann.« sagt Robert Schiedewitz, Mitarbeiter der LOBBI. »Das politische Klima deutet zudem darauf hin, dass zukünftig mit weiteren Angriffen zu rechnen ist. So entstehen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie nicht nur neue Verschwörungstheorien, auch rassistisch aufgeladene Schuldzuweisungen haben Konjunktur. Es ist zu befürchten, dass den in sozialen Medien verbreiteten Beschuldigungen etwa gegenüber Nachbar*innen oder Reinigungskräften auch Angriffe folgen könnten.«
Im vergangenen Jahr wurden – häufiger als noch vor wenigen Jahren – Kinder und Jugendliche zum Angriffsziel (mindestens 36 Betroffene). Nicht selten fanden diese Attacken im Schulkontext statt.
Die Hansestadt Rostock bleibt landesweit die Schwerpunktregion rechter Angriffe, auch wenn die Zahl mit 22 Attacken nach dem dramatischen Anstieg 2018 (35) wieder deutlich zurückgegangen ist. Es bleibt jedoch erneut anzumerken, dass die LOBBI besonders dort von Angriffen erfährt, wo funktionierende Netzwerke existieren. Immer häufiger fehlen im Arbeitsalltag jedoch Ansätze, Kontakt zu Betroffenen herzustellen und überhaupt ein Beratungsangebot zu unterbreiten – insbesondere dort, wo kaum noch zivilgesellschaftliche Akteure in Erscheinung treten, die oft die wichtigsten Kontaktbrücken zu den direkt Betroffenen sind.
So entsteht ein großes Dunkelfeld. Damit sind Angriffe gemeint, die nicht zur Anzeige bei den Behörden gebracht und auch der LOBBI nicht vertraulich gemeldet werden. Dies kann an Unsicherheiten in Folge des Angriffs liegen oder schlichtweg daran, dass ein Gewöhnungseffekt eingetreten ist. »Betroffene nehmen selbst tätliche Angriffe oft nur noch als weitere Feindseligkeit wahr, wie sie sie alltäglich erleben müssen. Gleichzeitig beobachten sie, dass Angriffe in der Öffentlichkeit bagatellisiert oder gar nicht thematisiert werden. Wenn dann auch noch die Erwartungen in ein mögliches Ermittlungsverfahren gen Null gehen, ergibt eine Anzeige für sie wenig Sinn.«
Die LOBBI hat im vergangenen Jahr insgesamt 370 Menschen beraten. Dies waren Betroffene, die 2019 oder bereits in den Vorjahren angegriffen wurden. Aber auch Personen aus deren sozialem Umfeld zählten zu den Beratungsnehmer*innen. »Die Beratungsverhältnisse erstrecken sich nicht selten über Zeiträume von deutlich über einem Jahr. Das liegt nicht zuletzt an der Dauer der Ermittlungsverfahren und daran, dass Gerichtsverhandlungen mitunter erst zwei Jahre nach der eigentlichen Tat stattfinden.«
Hervorzuheben ist die hohe Zahl an Tätigkeiten jenseits der Gewaltberatung. Dies meint Fälle, in denen die Mitarbeiter*innen der LOBBI zu rechten Anfeindungen oder Vorkommnissen beraten, die unterhalb der Gewaltschwelle liegen. Im vergangenen Jahr betraf dies ganz besonders den Umgang mit dem »Nordkreuz«- Komplex. Mehr als 80 Personen wandten sich an die Berater*innen, weil ihr Name auf den Feindeslisten des rechtsterroristischen Netzwerks stand.
Aber auch generell nimmt die Thematisierung rechten Terrors in der Beratung zu.
»Gerade ehemalige und potentiell Betroffene reagieren äußerst feinfühlig auf Ereignisse wie dem Mord an dem hessischen CDU-Politiker Lübcke. Nach den Anschlägen von Halle und Hanau ist mit weiterer erheblicher Verunsicherung zu rechnen. Diese wirkt sich selbstverständlich auch auf Unterstützer*innen aus, die den Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt vielerorts immer häufiger fehlen.«, schließt Schiedewitz.