kein-vergessen-mv.de – neue Webseite erinnert an Todesopfer rechter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern
vom 15. März 2023 in Kategorie: Pressemitteilung
Die Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern, LOBBI, präsentiert eine neue Webseite in Gedenken an 15 aus rechten Motiven getötete beziehungsweise in Folge rechter Gewalttaten verstorbene Menschen.
In Mecklenburg-Vorpommern sind trotz mehrfacher Überprüfungen der Behörden bislang nur fünf Menschen offiziell als Todesopfer rechter Gewalt anerkannt. Bereits seit vielen Jahren weisen Journalist:innen und zivilgesellschaftliche Initiativen darauf hin, dass die offiziellen Zahlen zu tödlicher rechter Gewalt bei weitem nicht die Realität abbilden und dass die Perspektive Betroffener und der Zivilgesellschaft nicht ausreichend Gehör bekommt.
Kein-vergessen-mv.de ist nun die erste Übersicht, die mit einem regionalen Fokus auf Mecklenburg-Vorpommern und teilweise neuer Ausführlichkeit auch auf die Menschen hinter den Taten und die in vielen Fällen fehlende Anerkennung und Erinnerung einzugehen versucht.
Wir gedenken:
Dragomir Christinel, 1992
Boris Morawetz, 1996
Olaf Jeschke, 1996
Horst Diedrich, 1996
Horst Genz, 1997
Horst Meyer, 1997
Klaus-Dieter Gerecke, 2000
Jürgen Seifert, 2000
Norbert Plath, 2000
Eckhard Rütz, 2000
Mohamed Belhadj, 2001
Klaus Dieter Lehmann, 2002
Wolfgang Hühr, 2002
Mehmet Turgut, 2004
Karl-Heinz Lieckfeldt, 2012
Olaf Jeschke und Horst Meyer fehlten bislang gänzlich in bisherigen Übersichten und die Erkenntnisse zu ihren Todesumständen sind erst im Zuge der Recherchen aus der Vergessenheit geholt worden.
Ein wichtiges Ziel der Seite ist es, die Menschen und ihre Geschichte in den Vordergrund zu rücken. Die übliche Erinnerung an sie als Todesopfer macht sie häufig beinahe zu Statisten. Die Abscheulichkeiten der Tat oder Einstellungen der Täter sind meist im Vordergrund der Darstellungen.
Die Seite kein-vergessen-mv.de versteht sich als Projekt, das den Entmenschlichungen, die aus den Taten sprechen, Erzählungen über die Leben entgegensetzen möchte, die aus rassistischen, sozialdarwinistischen oder anderen rechten Motiven ausgelöscht wurden. Dies ist in unterschiedlichem Umfang gelungen – doch die Veröffentlichung des Recherchestandes ist auch mit der Hoffnung verbunden, neue Ansätze zu bekommen und an den Erinnerungsorten weiterzuarbeiten.
Darüber hinaus werden drei weitere Fälle mit vier Opfern vorgestellt, bei denen eine rechte Tatmotivation möglich ist, jedoch – aus verschiedenen Gründen – ausreichend Belege dafür fehlen.
Die Webseite ist ein Projekt der Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern, LOBBI. Das Projekt wird maßgeblich getragen durch und basiert auf dem Engagement Ehrenamtlicher, die bei den zugrundeliegenden Recherchen vor Ort und in Archiven enormes geleistet haben. Ihre Arbeit wurde gefördert durch die Amadeu Antonio Stiftung und die Partnerschaften für Demokratie in Anklam, Greifswald, Neubrandenburg, Niepars, Rostock, Usedom und Wolgast.
Den Gedenkinitiativen, die an einigen Orten seit vielen Jahren die Erinnerung an die Taten und ihre Opfer pflegen, kommt ebenso eine wichtige Rolle zu. Sie gaben mit den Impuls zur Entstehung des Projektes und bekommen auf einer eigenen Seite Raum für die Vorstellung ihrer Arbeit. Damit soll im besten Falle auch an Orten, in denen bisher keine aktuelle Erinnerung an die grausamen Taten stattfindet, Gedenken angeregt werden. Rechte Gewalt kann nur in einer Atmosphäre stattfinden, die sie duldet und nicht offen thematisiert und ächtet.
In mehreren Hintergrundtexten wird versucht, auf Spezifik tödlicher rechter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern einzugehen. Dazu gehört die Häufung sozialdarwinistischer Angriffe mit tödlichem Ausgang wie auch das politische Klima, beziehungsweise ein Blick auf die Neonazi-Szene, die mit Gewalt ein Klima und Orte der Angst geschaffen hat, was die Taten wohl erst ermöglichte und die Täter:innen anspornte.
Die Webseite soll einen Anfang darstellen, die Auseinandersetzung mit rechter Gewalt anzuregen, der Opfer würdig zu gedenken und sie sichtbar zu machen.