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Neubrandenburg: Queerfeindlichkeit schlägt in Gewalt um, Jugendliche Neonazis immer selbstbewusster

vom 6. Dezember 2024 in Kategorie: Pressemitteilung

In den vergangenen Tagen kam es abermals zu Attacken auf zivilgesellschaftliche und politische Räume in Neubrandenburg. Sowohl im “Grünen Laden” in der Friedländer Straße, als auch bei der benachbarten BUND-Jugend und beim „Queeren Zentrum“ im Wiekhaus, warfen bislang Unbekannte Steine in die Fensterscheiben. Diese Anschläge müssen im Zusammenhang mit einer zunehmenden queerfeindlichen Stimmung gesehen werden, die sich spätestens seit dem unsäglichen Beschluss eines Regenbogenflaggenverbots vor dem Neubrandenburger Bahnhof zusehends verschärft hat und auch landesweit immer feindseligere Züge annimmt – wie zuletzt der Brandanschlag auf des bsieben in Rostock gezeigt hat.

Während die Ermittlungsbehörden Presseberichten zu Folge noch nach Zusammenhängen zwischen den jüngsten Taten suchen und das wahrscheinliche politische Motiv damit verleugnen, ordnen die Betroffenen das Geschehen eindeutig ein. Der Verein queerNB schildert die Attacke im Kontext einer queerfeindlichen Eskalationsspirale, die ganz klare Signale senden soll: “Die Täter geben uns zu verstehen, dass sie unseren Raum in Neubrandenburg angreifen wollen. Sie agieren dabei in einem gesellschaftlichen Umfeld, in dem queerfeindliche Ressentiments wieder lauter werden, wie die Diskussion in der Stadtvertretung rund um das Hissen der Regenbogenflagge gezeigt hat.”

In diesem Umfeld agieren auch mehrere Gruppen zumeist minderjähriger Rechter, die zunehmend selbstbewusster und aggressiver auftreten, wie Betroffene vermehrt berichten. Diese sind mitunter am Rande von Kundgebungen für queere Sichtbarkeit und gegen Queerfeindlichkeit durch Pöbeleien und Nötigungsversuche aufgefallen und erfahren bislang wenig Widerspruch.

Ein zivilgesellschaftliches Monitoring-Projekt für rechte Aktivitäten in der Viertorestadt, der Instagram-Account @nbdoku_, macht zudem eine massive Schwemme extrem rechter Aufkleber sichtbar, die insbesondere in und um die Innenstadt gemeldet werden. Hierbei spielt der einfache Zugriff auf extrem Rechte Propaganda-Materialien durch das Internet und die Gamification von Sticker-Aktionen durch das gegenseitige Teilen in einschlägigen Kanälen auf Telegram oder die Verbreitung durch TikTok eine wichtige Rolle.

“Provokantes Auftreten und die vergrößerte Risikobereitschaft, sowie die Bereitschaft Straftaten zu begehen dabei als jugendtypisches Verhalten zu bagatellisieren, wäre ein völlig falscher Schluss”, sagt Robert Schiedewitz, Mitarbeiter der Beratungsstelle LOBBI. Auch wenn derlei Gruppen augenscheinlich nur in geringem Maße organisiert erscheinen, so sind sie erheblich motiviert und politisch positioniert. Der Fokus der Jugendlichen, die zuletzt in Erscheinung getreten sind, sei eindeutig, so der Berater weiter. Manche der jungen Neonazis seien auch am Rande von Neonazi-Aufmärschen, wie beispielsweise gegen den Christopher Street Day (CSD) in Wismar in Erscheinung getreten.
“Es ist es nur eine Frage der Zeit, bis organisierte und strategischer agierende Neonazistrukturen aus der Region die Jugendlichen “abholen” und einbinden, wenn das Problem nicht erkannt und beispielsweise von Politik und Jugendsozialarbeit angemessen adressiert wird.”

Queerfeindlichkeit ist ohnehin viel mehr als offene Feindseligkeiten oder gar Gewalt. Es sind die kleinen Nadelstiche im Alltag, Ausgrenzungen, nicht-Beachtung oder Verächtlichmachung. Insbesondere jüngere queere Menschen stehen häufig ohnehin unter einem enormen Druck von Schule, Familie, Peer-Group durch deren fehlende Akzeptanz. Hinzu kommt nun die seit Monaten Debatte um queere Sichtbarkeit, die vor allem von Rechtspopulist:innen und der extremen Rechten genutzt wird, um politisches Kapital draus zu schlagen und eine herbeifantasierte queere Agenda zu bekämpfen.
Nach Schmierereien und zielgerichteten Markierungen sowie rechten Raumnahmeversuchen wie Aufkleber-Aktionen, Drohbotschaften, dem Entwenden von Regenbogenflaggen am queeren Zentrum und Privathäusern, wurde nun mit den Sachbeschädigungen vom Wochenende der nächste Schritt zur zielgerichteten Gewalt vollzogen. Dies sollte über die Betroffenen hinaus alarmieren.

“Eine wie auch auch immer motivierte Trägheit oder gar ein Verharmlosen und Leugnen in Bezug auf rechte Gewalt und ihre diskursiven Unterstützer:innen verstärkt deren Wirkung. Die Betroffenen werden allein gelassen und ihr Rückzug in Kauf genommen, um eine Auseinandersetzung zu vermeiden. Es ist ein Rückzug in Räume, die spätestens jetzt nicht mehr sicher sind, wenn nicht die Stadtgesellschaft deutlich auf diese Angriffe antwortet.”