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“Rostock – Kein Ort für rassistische Ausgrenzung !” – Offener Brief an Bürgerschaft und Stadtverwaltung verfasst

vom 15. August 2013 in Kategorie: Pressemitteilung

Die VerfasserInnen und UnterstützerInnen des Offenen Briefs beziehen sich in ihrem Schreiben auch auf das Papier „Rostock 2025 – Die Stadt gemeinsam gestalten “. In diesen Leitlinien für die zukünftige Stadtentwicklung verpflichtet sich die Stadtverwaltung „konsequent gegen jede Form von Rassismus, Diskriminierung und Gewalt gegenüber Ausländerinnen und Ausländern“ aufzutreten.   „Wir wünschen uns, dass die Hansestadt diese Worte ernst nimmt und ihnen Taten folgen lässt. Sie könnte etwa einen kommunalen Aktionsplan gegen rassistische Ausgrenzung erarbeiten. Wir haben in unserem Schreiben unsere Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit bereits deutlich gemacht.“ erklärt Tim Bleis, Mitarbeiter der LOBBI in Rostock. „ Vor wenigen Tagen hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes eine Studie zur Diskriminierung im Bildungsbereich und am Arbeitsplatz vorgelegt. Sie macht das Ausmaß rassistisch motivierter Ausgrenzung im Alltag erneut deutlich. Gleichzeitig jähren sich in weniger als zwei Wochen die rassistischen Pogrome von Rostock-Lichtenhagen. Grund genug, dass wir alle uns  für eine offene Gesellschaft einzusetzen, die allen Menschen gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht, unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsstatus.“
 Der Offene Brief (siehe unten) wurde heute an folgende Stellen verschickt:
 Die Präsidentin der Rostocker Bürgerschaft – Frau Karina Jens Der Rostocker Oberbürgermeister – Herr Roland Methling, Die Rostocker Senatorin für Kultur und Soziales – Frau Dr. Liane Melzer, Die Rostocker  Integrationsbeauftragte – Frau Stephanie Nelles, Die Fraktionen der Rostocker Bürgerschaft

Offener Brief

Rostock – Kein Ort für rassistische Ausgrenzung!

Sehr geehrte Frau Bürgerschaftspräsidentin Karina Jens,
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Roland Methling,
Sehr geehrte Frau Dr. Senatorin für Kultur und Soziales Liane Melzer,
Sehr geehrte Frau Integrationsbeauftragte Stephanie Nelles,
Sehr geehrte Mitglieder der Bürgerschaft,

Rostock ist eine weltoffene und tolerante Metropole am Meer. So zumindest präsentiert sich die Stadt gerne in der Öffentlichkeit. Für hier lebende MigrantInnen, ausländische Studierende und auch für Gäste aus aller Welt ist die Realität leider oft eine andere. Sie sind mit rassistischen Angriffen und Beleidigungen konfrontiert, ihnen wird eine gleichberechtigte Teilhabe am öffentlichen Leben verwehrt und all zu oft erfahren sie nach solchen Erlebnissen nicht die öffentliche Unterstützung, die eigentlich selbstverständlich sein sollte. Es ist also noch ein weiter Weg bis das öffentlich dargestellte Selbstbild Rostocks tatsächlich Realität wird.
Da wird ein Mann wegen seiner Hautfarbe in einem öffentlichen Verkehrsmittel rassistisch verhöhnt, ohne das jemand interveniert – auch der Fahrer nicht. Da wird Menschen aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermuteten Herkunft der Zutritt zu Rostocker Clubs verwehrt oder sie sind gar mit tätlichen Übergriffen durch das Sicherheitspersonal konfrontiert. Andere werden aus Geschäften verwiesen, weil sie ein Kopftuch tragen.
Einige werden Opfer körperlicher Angriffe im öffentlichen Raum oder im Wohnumfeld. Ein Teil dieser Betroffenen bringt solche Attacken nicht zur Anzeige – sei es aus Scham oder Angst oder weil sie sich von einer Strafverfolgung wenig versprechen. Doch auch wenn sie diesen Schritt gehen, heißt das noch nicht, dass sie öffentliche Unterstützung erfahren.
So wurde ein junger Mann Anfang Juni in der Rostocker Innenstadt brutal zusammengeschlagen. Obwohl er die Sprüche der Angreifer nicht verstehen konnte, ist er sich sicher, Opfer von Rassisten geworden zu sein, denn ein anderes Motiv ist nicht ersichtlich. In der Öffentlichkeit wurde der Angriff nicht thematisiert. Als im vergangenen Jahr eine Frau und ihre sechsjährige Tochter rassistisch beschimpft und bedroht wurden und ein zur Hilfe eilender Migrant geschlagen wurde, gab es zwar eine Berichterstattung. Auf eine klare Positionierung durch die Stadtvertretung warteten die Betroffenen jedoch vergebens.
Rassistische Ausgrenzung in all ihren Formen zu bekämpfen, ist eine Aufgabe, der wir uns alle stellen müssen. Doch nicht nur die Zivilgesellschaft ist hier gefragt, sondern auch Stadtverwaltung und Bürgerschaft. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang die vor kurzem veröffentlichten Leitlinien zur Stadtentwicklung „Rostock 2025“, in denen sich die Stadt unter anderem für ein konsequentes Verhalten gegen jede Form von Rassismus, Diskriminierung und Gewalt gegenüber MigrantInnen ausspricht sowie das „Miteinander aller Menschen“ als eine „wesentliche Herausforderung der zukünftigen Integrationspolitik“ bezeichnet. Gleichzeitig fordern wir die Stadt auf, nach diesen Leitlinien zu handeln und sich für eine Gesellschaft einzusetzen, die allen Menschen die Möglichkeit bietet, gleichberechtigt, selbstbestimmt und angstfrei am öffentlichen Leben teilzuhaben.
Zudem wünschen wir uns eine detaillierte Prüfung und konsequente Anwendung von Sanktionsmöglichkeiten der Stadtverwaltung bei ausgrenzendem und diskriminierendem Verhalten.
So wäre es sicher sinnvoll, eine unabhängige Anlaufstelle für Betroffene von Diskriminierungen zu schaffen und öffentlich zugänglich zu machen. An diese Stelle könnten sich unter anderem MigrantInnen wenden, die davon ausgehen müssen, dass ihnen der Zutritt zu Clubs und Diskotheken aus rassistischen Gründen verwehrt wurde. Die dort gewonnenen Informationen wären dann eine wichtige Grundlage für das Agieren der zuständigen Ämter, um rassistisch motivierte Ausschlüsse von Veranstaltungen zu unterbinden.
In einen Prozess zum Abbau von alltäglichem Rassismus möchten wir uns selbstverständlich mit unseren Erfahrungen einbringen. Daher sind wir gerne zu Gesprächen bereit, in denen wir die hier angesprochenen Probleme vertiefend darstellen können, um anschließend gemeinsam konkrete Handlungsoptionen gegen Diskriminierung zu erörtern. Eine Einbeziehung unmittelbar Betroffener scheint uns dabei unabdingbar. Denn sie sind es, die immer wieder Erfahrungen mit alltäglichem Rassismus machen müssen.

Rostock, den 15.08.2013

VerfasserInnen:

Antirassistische Initiative Rostock
CTSD e.V. – Togolesisches Komitee für das Überleben der Demokratie Sektion    
Deutschland
LOBBI e.V. – Landesweite Opferberatung, Beistand und Information für Betroffene rechter Gewalt in M/V
Migrantenrat der Hansestadt Rostock
Ökohaus e.V.
MV-weites Netzwerk Stop it! Rassismus bekämpfen – alle Lager abschaffen

Weitere UnterstützerInnen:

Der islamische Bund in Rostock e.V.
Eine Welt Landesnetzwerk Mecklenburg-Vorpommern
Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern e.V.
Friedensbündnis Rostock
Medinetz Rostock e.V.
Migra e.V.
Netzwerk für Demokratie und Courage – MV
Soziale Bildung e.V.
Study in Germany Rostock e.V.
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten – Landesverband Mecklenburg-Vorpommern