Angriff zum Feierabend
vom 25. September 2009 in Kategorie: Artikel
Als Herr Y. am frühen Morgen des 1. November 2008 den „Pub No. 1“ in Krakow am See schließen will, kann er noch nicht ahnen, was ihm bevorsteht. Die angetrunkenen Jugendlichen, die in diesem Moment die Kneipe betreten, sorgen jedoch sofort für ein ungutes Gefühl. Einige kennt er persönlich, anderen kann er ansehen, daß sie zur örtlichen rechten Szene gehören. Lautstark fordern sie Getränke und machen dabei gleich deutlich, dass sie dafür nicht bezahlen werden. Aus Angst „spendiert“ der Wirt eine Runde und kann die Situation zunächst entschärfen. Als zwei der vier im Pub verbliebenen Jugendlichen gehen, hofft Herr Y. bald nach Hause zu können. Doch er irrt, die beiden vorbestraften rechten Schläger Sebastian P. und Christian D. haben nicht vor zu gehen. Statt dessen pöbeln sie ihn mit Sprüchen wie: „Das ist unsere Heimat – haut ab hier!“ voll und beschimpfen ihn als „Scheiß Türken“. Der verängstigte Wirt versucht die beiden zu beruhigen. Ohne Erfolg: Er wird geschubst, geschlagen und getreten. D. attackiert ihn mit einer Flasche und P. geht mit einem Messer auf ihn los. Stark blutend gelingt Herrn Y. schließlich die Flucht durch ein Fenster und er ruft die Polizei.
Langwieriger Prozess
Am 11. Februar beginnt der Prozess und muss gleich wieder ausgesetzt werden. Polizeibeamte hatten BesucherInnen den Zutritt verweigert und damit die gebotene Öffentlichkeit einer Gerichtsverhandlung eingeschränkt. Als der Prozess dann am 16. März erneut beginnt, erwartet kaum jemand, daß er sich über sieben Verhandlungstage hinziehen wird. Unzählige Zeugen werden gehört, ein Sachverständiger hinzugezogen, Beweissicherungsvideos gesichtet und ein Vororttermin angesetzt. All dies wird nötig, weil die Verteidiger dem Gericht ernsthaft vermitteln wollen, ihre Mandaten seien unschuldig. Daher haben sie es vor allem auf die Glaubwürdigkeit des Betroffenen abgesehen. Herr Y., der im Prozess auch als Nebenkläger auftritt, muss viermal vor Gericht erscheinen und wird insgesamt über 12 Stunden als Zeuge vernommen. Der traumatisierte Gastwirt muss dabei nicht nur die Anwesenheit seiner Peiniger ertragen, sondern sich auch unzählige Unterstellungen gefallen lassen. Er habe sich die Verletzungen selbst zugefügt und die Spuren am Tatort ebenfalls selbst gelegt, so eine häufig wiederholte Behauptung. Es sind vor allem der Nebenklagevertreter und der Staatsanwalt, die auf die schlimmsten Tiraden der Verteidiger reagieren.
„Mein Mandant isst gerne ausländisch.“
Die Anwälte unternehmen im Prozess den hilflos wirkenden Versuch, die rechte Einstellung ihrer Mandanten abzustreiten. Sein Mandant könne nicht ausländerfeindlich sein, da sein Stiefvater, mit dem er sich bestens verstehe, aus Albanien stamme und er ausgesprochen gerne „ausländisch esse“, so die Argumentation eines Verteidigers. Die Fakten sprechen jedoch eine andere Sprache. So weist die Richterin darauf hin, daß Sebastian P. bereits dreimal wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilt ist und der Staatsanwalt legt als Ergänzung einen Schlüsselanhänger mit Hakenkreuz aus dem Besitz von P. vor. Außerdem präsentiert er ein Foto, auf dem Christian D. als Teilnehmer eines Naziaufmarsches im Jahr 2008 zu sehen ist. Am 27. April kommt es dann schließlich zum Urteil und die Strafe fällt hoch aus. Die beiden Rechten werden zu Haftstrafen von 2 Jahren und einem Monat verurteilt. In ihrer Begründung spart die Richterin jedoch an deutlichen Worten. Die „innere Einstellung der Angeklagten habe möglicherweise eine Rolle gespielt“, so die vorsichtige Umschreibung eines brutalen rassistischen Angriffs. Der Betroffene nimmt die Verurteilung erleichtert auf. Sein Leben hat sich dennoch grundlegend verändert. Da ihm ein angstfreies Leben vor Ort nicht mehr möglich ist, hat er das Bundesland verlassen.