In Gedenken an Klaus Dieter Lehmann
vom 15. Mai 2020 in Kategorie: Artikel
Klaus Dieter Lehmann zog mit 19 Jahren aus seinem Geburtsort Waren in eine betreute Wohngemeinschaft nach Neubrandenburg. Wegen einer angeborenen Herzkrankheit und einer akzentuierten Persönlichkeitsstörung war er auf Unterstützung in der Bewältigung seines Alltags angewiesen. In der neuen Stadt fand er Arbeit in einer Tischlerei, was ihm laut seinem Vater großen Spaß bereitete. Er fühlte sich wohl in Neubrandenburg. Alles sah danach aus, als ob Klaus Dieter Lehmann bald anfangen könne, ein selbstbestimmtes Leben zu leben. Von seinem Umfeld wurde Klaus Dieter Lehmann als sehr offenherzig und kommunikativ beschrieben. Dadurch lernte er ständig neue Leute kennen. Für seine betreuende Sozialarbeiterin war Klaus Dieter Lehmann einfach jemand, „der das Leben liebte“.
Seine Offenherzigkeit wurde Klaus Dieter Lehmann am Abend des 15. Mai 2002 zum Verhängnis. Er lernte zufällig die Neonaziskins Andreas L. (21) und Jens D. (17) kennen und beschloss, gemeinsam mit ihnen zum Baden an einen See zu fahren. Um seine Badesachen zu holen machten die drei einen Umweg zur Wohnung Klaus Dieter Lehmanns. Dort angekommen bemerkten Andreas L. und Jens D. die Poster schwarzer Musiker an den Wänden und rissen diese laut ihrer späteren Aussage vor Gericht mit der Begründung ab, sie würden „Neger nicht mögen“. Klaus Dieter Lehmann schloss sich den beiden trotzdem in Richtung des Badesees an. Laut der Aussage der Täter kam es auf dem Weg dorthin zu einem Streit, weil Klaus Dieter Lehmann sie mit seinem Gerede genervt hätte. Sie drängten Klaus Dieter Lehmann in eine unbeleuchtete Seitenstraße, wo ihm Andreas L. mehrere Faustschläge versetzte. Anschließend traten beide Täter auf ihr am Boden liegendes Opfer ein, wobei Jens D. schwere Springerstiefel mit Stahlkappen trug. Sie hörten auch nicht auf als Klaus Dieter Lehmann aufhörte sich körperlich zu wehren und nur noch weinend am Boden lag. Klaus Dieter Lehmann verstarb noch auf dem Weg ins Krankenhaus. Die Staatsanwaltschaft sagte später, es hätte ausgesehen, als wäre mit seinem Kopf „Fußball gespielt worden“.
Einige Tage nach der Tat wurden beide Täter verhaftet und wegen Totschlags angezeigt. Obwohl der verhandelnde Oberstaatsanwalt zugab, dass die Täter „Rechtssein toll fanden und die berühmten kurzen Haare und Stiefel trugen“ spielte ihre politische Überzeugung keine Rolle im Verfahren. Da eine Sozialarbeiterin später gegenüber der taz sagte, die Täter hätten bereits in Vergangenheit ausgesagt, „Behinderte und Neger“ seien „nicht lebenswert“, muss ihre rechte Ideologie als zumindest tatbefördernd angesehen werden. Andreas L. verletzte zudem bereits wenige Monate vor der Tat eine vom ihm als politischer Gegner wahrgenommene Person, indem er auf ihn mit einer Schreckschusspistole schoss. Diese beiden Verfahren wurden zusammengelegt. Da Andreas L. jedoch vor Gericht bezogen auf das Tatgeschehen vom 15. Mai eine Amnesie geltend machte und vorgab sich an nichts erinnern zu können, konnte der Tatverdacht des Totschlags gegen ihn nicht erhärtet werden. Der 21-jährige wurde nach Jugendstrafrecht wegen zweifacher Körperverletzung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Bei Jens D. stellte das Gericht hingegen „ein erhebliches Maß an Gefühlskälte“ fest und verurteilte ihn wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu sechs Jahren und neun Monaten Jugendstrafe. Für die Eltern, die den Prozess als Nebenkläger verfolgten, stand dieses Urteil nicht im Verhältnis zum Verlust ihres Sohnes. Sie hatten bei der Bewältigung der Tat auf mehr Unterstützung von staatlicher Seite gehofft und verließen den Gerichtssaal letztlich enttäuscht. Klaus Dieter Lehmann wird bis heute vom Staat nicht als Opfer rechter Gewalt anerkannt. Einen Anspruch auf Entschädigung konnten seine Eltern dadurch nicht geltend machen.