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Einstellung von Verfahren fördert Vertrauensverlust in Ermittlungsbehörden

vom 29. Juni 2020 in Kategorie: Pressemitteilung

Am 11. Mai 2020 wurden im Rahmen einer nicht angemeldeten Versammlung gegen die aktuellen Infektionsschutzmaßnahmen eine Gegendemonstrantin angegriffen und verletzt. Obwohl die Polizei noch vor Ort Anzeigen wegen gefährlicher Körperverletzung aufnimmt und die Täter durch ein Fernsehteam des NDR dokumentiert werden, versendet das Kriminalkommissariat ohne weitere Maßnahmen durchzuführen einen Tag später die Ermittlungsakte an die Staatsanwaltschaft. Diese wiederum stellt das Verfahren vor einem Monat mit der Begründung ein, dass die Täter nicht ermittelt werden konnten.
Am 11. Mai wurde in Neubrandenburg zum wiederholten Male zu einem sogenannten „Abendspaziergang“ gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie mobilisiert, an dem rund 300 Personen teilnahmen. Da sich bei vorherigen Versammlungen in Neubrandenburg, aber auch in anderen Orten Mecklenburg-Vorpommerns, immer wieder rechte Teilnehmer*innen unter das Versammlungsgeschehen mischten, formierte sich spontaner Gegenprotest. Eine Gegendemonstrantin wurde dabei von Teilnehmern des Aufzugs mit Tritten attackiert, an der Hand verletzt und angespuckt. Die Betroffene ging umgehend zu den Einsatzkräften der Polizei, die den Aufzug begleiteten und drei Anzeigen wegen gefährlicher Körperverletzung aufnahm. Um ihre Handverletzung behandeln zu lassen, begab sich die Betroffene anschließend ins Krankenhaus. Dort sagte man ihr, dass sie sich aufgrund des Anspuckens sofort in häusliche Quarantäne begeben müsste und eine Untersuchung oder Behandlung ihrer Handverletzung unter diesen Voraussetzungen nicht möglich sei.

Durch die angeordnete Quarantäne und der noch nicht verheilten Verletzung an der Hand, war es der Betroffenen nicht möglich an ihrer Abiturprüfung teilzunehmen. Für die Geschädigte ist der Schaden groß, da sie demzufolge in diesem Schuljahr ihr Abitur nicht erhalten wird.

Für Irritationen bei der Betroffenen sorgte zudem ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Neubrandenburg, dass die Täter nicht ermittelbar waren. Dies ist vor allem unter dem Aspekt verwunderlich, das die Betroffene den Beamt*innen vor Ort eine Täterbeschreibung gab und anbot, sie bei der Fahndung im Nahbereich des Aufzuges zu unterstützen und die Täter sogar in einem Fernsehbeitrag des NDR dokumentiert wurden. Trotz dieser offensichtlich ungenügend polizeilichen Ermittlungsarbeit gelangte die Staatsanwaltschaft Neubrandenburg zu dem Schluss, dass keine neuen Erkenntnisse mehr zum Verfahren gewonnen werden können. Dazu sagt Ulrike Maschner von der LOBBI: „Die Strafverfolgungsbehörden schützen durch ihr Handeln die Täter, während sie die Betroffene mit den Folgen der Tat alleine lassen. Dieses Nichtverhalten von Behörden ist bei potentiellen Betroffenengruppen von rechter Gewalt nach den polizeilichen Skandalen der letzten Jahre nicht gerade förderlich, um verlorenes Vertrauen wieder aufzubauen.“

Der Übergriff in Neubrandenburg war nicht der einzige Vorfall im Rahmen der sogenannten „Abendspaziergänge“ im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte. In Demmin wurde am Pfingstmontag ein Mann von drei Versammlungsteilnehmern körperlich angegriffen, verletzt und kurzzeitig seines Handys beraubt. Am darauffolgenden Montag wurden in Demmin Pressefotograf*innen aus der Versammlung heraus körperlich bedrängt. Am gleichen Tag zeigte ein Versammlungsteilnehmer in Neubrandenburg offen ein auf seine Wade tätowiertes Portrait von Adolf Hitler. Zivilgesellschaftliche Bündnisse in der Region warnen seit Beginn der Proteste vor der Vereinnahmung von Rechtsextremen und machten frühzeitig auf gewaltaffine Versammlungsteilnehmer*innen aufmerksam.