Gesicht zeigen
vom 16. Juli 2013 in Kategorie: Artikel
Neonazis wissen um diesen Effekt und verstärken ihn gezielt mit bedrohlich wirkenden Aktionen. »Wir lassen uns nicht einschüchtern!« heißt es dann oft in der Öffentlichkeit. Allerdings ist das manchmal leichter gesagt als getan.
Die guten Erfahrungen aus vielen Orten zeigen: meist ist es möglich in Bündnissen mitzuarbeiten, ohne gleich Angriffen der rechten Szene ausgesetzt zu sein. Doch schon allein die Befürchtung, in den Fokus von Neonazis zu geraten, kann dazu führen, eigenes Engagement einzuschränken oder gar nicht erst zu beginnen. Wollen zivilgesellschaftliche Gruppen den Ausstieg von Mitgliedern verhindern und den Einstieg neuer MitstreiterInnen erleichtern, ist ein offener und rücksichtsvoller Umgang mit diesen Ängsten unerlässlich. Die Kommunikation über Unsicherheitsgefühle sollte deshalb ein unaufgeregter und normaler Bestandteil der Bündnisarbeit sein. Die Heterogenität zivilgesellschaftlicher Zusammenschlüsse erfordert dabei das Respektieren unterschiedlicher Herangehensweisen.
Eine gewinnbringende Methode für den Umgang mit der von Neonazis aufgebauten Drohkulisse ist das Besprechen oder gar Durchspielen möglicher Szenarien. Hat man sich im Bündnis, persönlich oder im Freundeskreis auf bestimmte Situationen vorbereitet, erhöht dies die eigene Handlungssicherheit und mindert das Einschüchterungspotential der rechten Szene – selbst wenn diese Situationen gar nicht eintreten.
Wenn Neonazis jemanden wegen des Engagements gegen Rechts im Internet beschimpfen, Scheiben einwerfen oder Hetzflugblätter verteilen, handelt
es sich um eine politische und nicht um eine persönliche Auseinandersetzung. Dies darf nicht das private Problem der Betroffenen bleiben. Neonazis stellen sich gern als VollstreckerInnen eines vermeintlichen »Volkswillens« dar. Nur aktive solidarische Reaktionen zeigen den TäterInnen und vor allem den Angegriffenen selbst, dass dies nicht der Fall ist. Für die Betroffenen können selbst kleinere Vorfälle, die sonst als Bagatellen angesehen werden, äußerst einschüchternd wirken. Allerdings gibt es oft erschreckend wenige hilfreiche Reaktionen. Zum Teil glauben Menschen, dass sie ja doch nichts tun können. In vielen Fällen sind es aber ganz einfache Schritte, die sehr wirkungsvoll sein können. Wichtigster Punkt: Anteil nehmen, die Betroffenen ansprechen und sich nach ihrer Situation erkundigen. Häufig sind es kleinere praktische Erledigungen oder Aktivitäten, die gerade in den ersten Tagen das Sicherheitsgefühl erhöhen.
Die gezielte und offensive Verunsicherung ihrer GegnerInnen ist in der Regel ein Ausdruck des gestiegenen Selbstbewusstseins lokaler rechter Szenen. Diesem Dominanzanspruch entgegenzutreten, liegt auch in der Verantwortung staatlicher Akteure.
Tatsächlich besteht aber die größte Chance, die Wirkung rechter Einschüchterungsversuche zu schwächen, in der Kommunikation und Kooperation von Einzelpersonen und Gruppen innerhalb der Zivilgesellschaft.