Gut vorbereitet ins Verbotsverfahren?
vom 16. Januar 2014 in Kategorie: Artikel
Das erste Verbotsverfahren lähmte die NPD zunächst. FunktionärInnen hielten sich mit allzu radikalen Statements zurück, die öffentliche Präsenz der Partei nahm ab. Unter dem Slogan «Argumente statt Verbote» gelang es dann jedoch, sich als Verfolgte darzustellen, um nach dem Scheitern des Verbots deutlich gestärkt aufzutreten, so auch in MecklenburgVorpommern. Allerdings war der Landesverband unter Hans Günter Eisenecker nicht mit der heutigen NPD vergleichbar. Sie war nicht landesweit handlungsfähig und konnte kaum Wahlerfolge verbuchen. Dies änderte sich erst nach dem Wahlerfolg 2004 in Sachsen. Fast geschlossen traten Kameradschaften in die Partei ein, die fortan flächendeckend auftreten konnte, 2006 in den Schweriner Landtag einzog und heute rund zwei Dutzend Neonazis finanziert, darunter viele ehemalige Kameradschaftskader.
Gerade diese staatlichen Gelder dienen immer wieder als zentrales Argument für das Verbot. Sicher ist es nicht von der Hand zu weisen, dass die üppige Finanzierung dazu beigetragen hat, dass die NPD MV heute deutlich besser aufgestellt ist, als vor rund 10 Jahren. Doch hätte ein Ende der Zahlungen deren Handlungsunfähigkeit zur Folge? Wohl kaum. Die Neonazis haben die Zeit seit 2006 intensiv genutzt, um ihre Infrastruktur auszubauen und dabei peinlich genau darauf geachtet, dies eben nicht im Namen der NPD zu tun. Vielmehr wurden Immobilien, Equipment und Autos von Privatleuten gekauft und gelten damit bei einem eventuellen Verbot nicht als einzuziehendes Par-
teivermögen, auch wenn Gelder einzelner Abgeordneter eine wesentliche Rolle beim Erwerb gespielt haben dürften.
Was würde die Naziszene im Land durch ein NPD Verbot also verlieren?
1. Die Personalstellen. Für ihre jetzigen Inhaber wäre deren Verlust sicher ein Rückschlag. Auch Neonazis sitzen lieber im Landtag, als für einen Bruchteil des Gehaltes als Maurer auf dem Gerüst zu stehen. Die Szene hat jedoch vor 2006 gezeigt, dass sie auch ohne bezahlte FunktionärInnen handlungsfähig sein kann.
2. Das parlamentarische Podium. Der Landtag ist für die NPD momentan ein ganz zentraler Handlungsraum, doch die großen Tabubrüche und kalkulierten Skandale gelingen immer weniger. Die Begeisterung der Anhängerschaft hält sich dagegen sichtlich in Grenzen, wenn führende Kader dermaßen ins parlamentarische Geschäft eingebunden sind, dass sie sich «auf der Straße» kaum noch einbringen können. Auch wenn die sichtbaren Differenzen zwischen Partei und «freien Kräften» keineswegs so offensichtlich wie in Sachsen sind, gibt es doch Anzeichen dafür, dass die Integrationskraft der NPD MV schwindet. So zeichnet sich momentan eine gewisse Renaissance der Kameradschaften im Land ab, die als eigenständige Akteure nach 2006 nahezu verschwunden waren.
3. Das Label NPD hat im Land durchaus Relevanz. Nach jahrelangem, lokalen «Kümmern», regionalen Boten und öffentlichen Auftritten haben sich die Neonazis in vielen Landstrichen als «normale» Partei etabliert.
Doch wie sich diese Lücke schließen ließe, könnten sie bereits bei den Kommunalwahlen am 25. Mai 2014 demonstrieren. Lokal verankerte NPDler wie Andrejewski oder Pastörs hätten sicher auch als Einzelbewerber gute Chancen. Anderen wäre es ein Leichtes als WählerInnengemeinschaft anzutreten und der eigenen Klientel zu signalisieren, dass bis auf den Namen alles beim Alten bleibt.
Auch abgesehen von der prinzipiellen Frage, ob Parteienverbote ein geeignetes Mittel einer demokratischen Gesellschaft sein sollten, sind viele gegen Rechts Aktive skeptisch. Sie warnen vor weiterer Radikalisierung und zunehmender Militanz einer schon heute kaum zu kontrollierenden Szene. Zu Recht sorgen sie sich auch um die öffentliche Auseinandersetzung mit Neonazis, die für viele Menschen deutlich schwerer zu identifizieren wären, wenn sie nicht mehr als NPDler auftreten. Andererseits wird Neonazismus in der öffentlichen Debatte allzu oft auf die NPD reduziert. Nach einem Verbot könnte das bedeuten, dass das Problem offiziell als «gelöst» gilt. Doch zehntausende Menschen im Land, die die Partei genau deshalb regelmäßig wählen, weil sie deren Ansichten teilen, werden ihre Einstellungen nicht ändern, nur weil sie sie nicht mehr auf dem Wahlzettel finden. Und natürlich ist der Ausgang des bevorstehenden Verbotsverfahrens alles andere als sicher. Welche dramatischen Folgen ein erneutes Scheitern hätte, verschweigen viele BefürworterInnen geflissentlich.