Im Real-Life schlimmer
vom 25. September 2009 in Kategorie: Artikel
Schwarze Sonne und Babyfoto
Die Anzahl von aktuellen Neonazi-Websites aus Mecklenburg-Vorpommern ist überschaubar. Weit weniger offensichtlich stellen sich die Aktivitäten der rechten Szene im Dschungel des sogenannten Web 2.0 dar. Darunter fallen Communities, Blogs, Kontaktbörsen oder Videoplattformen. Im Gegensatz zu den meist statischen Websites geht es hier nicht um die Einbahnstraße zwischen Seitenbetreibern und SeitennutzerInnen, sondern um Vernetzung und Austausch der Internetuser untereinander. Ohne große Vorkenntnisse können hier Menschen am Online-Leben teilhaben und eigene Inhalte veröffentlichen. Im Bereich der sozialen Netzwerke ist in MecklenburgVorpommern die Plattform NB-Town mit fast 120.000 persönlichen Profilen einer der größeren Anbieter. Bei NB-Town haben sich auch hunderte offensichtlich rechtsradikal orientierte Mitglieder aus dem ganzen Bundesland angemeldet. Diese tun zunächst einmal nur das, was auch andere tun: sich und ihre Hobbys vorstellen, Bilder von sich veröffentlichen, sich gegenseitig auf ihre Freundeslisten setzen, Einträge in Gästebüchern hinterlassen und anderen Mitgliedern Nachrichten schreiben. Dabei ist es vielen augenscheinlich sehr wichtig, ihrer Gesinnung unmissverständlich Ausdruck zu verleihen. Dies beginnt bei der Namenswahl, wie etwa bei „WeiSSer HaSS“ oder durch in der Szene übliche Zahlenkryptographie alá „14Wotan88“. In der Rubrik „Kotzen könnte ich bei:“ tauchen regelmäßig Punks, Ausländer, Antifa und das „Scheiss System“ auf. Die eigene Profil-Seite wird in vielen Fällen mit eindeutiger Symbolik dekoriert und in den Galerien finden sich zwischen Bildern vom Haustier und dem Auto auch rechte Propaganda und Kameradschaftsbilder. „88_Basti_88“ wählte beispielsweise als Profilfoto ein Babybild seines Sohnes – den Hintergrund gestaltet er mit gekreuzten Pistolen und dem Spruch „Hasta la vista Antifascista“. Aber auch viele Mädchen und Frauen beziehen Stellung, wie die 19jährige „DeUtScHeStImMe“ aus Bad Sülze, die ihre Userpage mit der so genannten Schwarzen Sonne(1) schmückt. Die nb-toWn User haben zudem die Möglichkeit Lobbys zu erstellen bzw. diesen beizutreten. Und so finden sich auch von rechter Seite diese Interessengemeinschaften, beispielsweise mit Titeln wie „Punks not dead aber wir arbeiten daran“, „Gedenken an Michael Müller“(2) oder „Freundschafskreis“(3) von den Neustrelitzer Patrioten.
Die Offenheit mit der das eigene „Nazi sein“ nach außen dargestellt wird, mag dabei verwundern. Doch wird hier letztendlich nur online illustriert, was an vielen Orten im Land zum Alltag gehört.
„bevor diese N!§§ER mich wieder kicken“
Den Anbietern solcher Communities bleibt dieser Teil ihrer Kundschaft nicht verborgen. NB-Town beispielsweise untersagt rechte Propaganda und entfernt entsprechende Userpages. Die Plattform bietet seinen Mitgliedern außerdem eine „Verpfeifen“-Funktion an, um problematische Profile zu melden. So sind die Seite von „88anja88“ und viele andere gesperrt. Mit mäßigem Erfolg – die Betroffenen nehmen dies entweder sportlich und geben als Hobby an: „Mich zum zehnten Mal bei NB-Town anmelden“ oder verzichten auf allzu aggressive Inhalte „bevor diese N!§§ER mich wieder kicken“.
Auf das Entfernen ihrer Profile reagiert die Szene auch mit Versuchen eigene Communities einzurichten. Unter dem Namen „VEREINT – Wir Kämpfen gemeinsam für das Land das wir Lieben“4 haben sich ein paar dutzend Rechte aus Mecklenburg-Vorpommern beim Anbieter Yooco zu einer Online-Kameradschaft zusammengeschlossen. Allerdings ist auf dieser Plattform kaum noch jemand online. Mehr als 1000 Mitglieder hat hingegen, die nach eigenen Angaben „ verhassteste Online-Community“, der NS-Treff. Werbebanner für den Rostocker Naziladen Dickkoepp, das Geschäft Nordlicht in Gnoien oder den Pommerschen Buchdienst in Anklam begrüßen die Besucherinnen und Besucher der Seite. Hier muß weniger Zurückhaltung geübt werden und man kann sicher sein, nur auf Gleichgesinnte zu treffen. Diese quasi „national befreite“ Internetzone dürfte weit mehr Möglichkeiten als beispielsweise nb-toWn für eine identitätsstiftende und vernetzende Wirkung innerhalb der rechten Szene bieten.
Nebenan statt World Wide
Dennoch bewegt sich ein Großteil der Szene weiter in den bekannteren Social Networks, weil er nicht nur mit GesinnungsgenossInnen, sondern auch mit unpolitischen FreundInnen in Verbindung bleiben will. Insgesamt scheint es den rechten NutzerInnen also hauptsächlich um die Pflege sozialer Kontakte zu gehen. Diese sozialen Netzwerke hätten zwar theoretisch das Potential von der rechten Szene für die Unterstützung eigener Strukturen, Mobilisierung und Agitierung anderer User genutzt zu werden. Gemessen an der hohen Anzahl rechter Mitglieder, gibt es dafür aber (noch) wenige Anzeichen. Obwohl im World Wide Web unterwegs, scheinen sich die meisten User online nur mit Menschen zu „treffen“, die sie schon aus dem lokalen Freundeskreis kennen. Sicher werden linke Communitymitglieder angepöbelt, in Lobbys agitiert und es sind Einzelfälle bekannt, bei denen Neonazis den Kontakt zu anderen Mitgliedern von nb-toWn suchen, um ins Gespräch zu kommen und für rechtsradikale Positionen zu werben. Ob dies in größerem Ausmaß geschieht, ist fraglich und der Erfolg ungewiss. Inhaltlich finden die Neonazis mit der Parole „Todesstrafe für Kinderschänder“ noch am ehesten Zuspruch, weil auch andere Teile der Community bei diesem Thema ihren Lynchphantasien Ausdruck verleihen. Bei einer kurzen Demonstration am 15. August, die die Todesstrafe für einen in Malchow wohnenden Sexualstraftäter forderte, blieben die anwesenden 25 Neonazis dann aber wieder unter sich.
Nicht einfach wegzuklicken
Unbestritten darf die Bedeutung des Internet gerade für die rechte Subkultur nicht unterschätzt werden. Jüngere Menschen können in Netzwerken ohne große Hürden in die Subkultur „eintreten“. Zwar überwiegt bei den hiesigen Führungsstrukturen meist die Zurückhaltung vor allzu großer Öffentlichkeit, aber auch sie nutzen die Möglichkeiten der Communities in gewissem Maße. Vor Rechtsrockkonzerten oder Aktionen wird auch über das Internet mobilisiert. Die Seite Nationale Strassenkunst bietet Layoutmaterial für Desktophintergründe oder Profilgestaltung an. Und bei You tube lädt das aus Mecklenburg stammende Projekt Der Nationale Gedanke wiederholt propagandistisch gestaltete Videobeiträge von Aufmärschen hoch. Aber zum einen gibt es auch im Netz Gegenwehr, bei NB-Town beispielsweise mehrere Dutzend Anti-Nazi-Lobbys. Zum anderen handelt es sich um virtuelle Aktivitäten der rechten Szene. Im Real-Life hingegen stellt sich die Situation für Menschen, die zu den erklärten Feindbildern dieser rechten User gehören, häufig schlimmer dar. Ausgrenzung, Bedrohung und Gewalt lässt sich hier nicht so einfach wegklicken.
(1) Sonnenrad im ehemaligen SS-Obergruppenführersaal in der Wewelsburg
(2) rechter Liedermacher
(3) Fehler im Original