Racial Profiling
vom 28. Oktober 2015 in Kategorie: Artikel
Racial oder ethnic Profiling bezeichnet eine Methode, bei der das physische Erscheinungsbild einer Person als Entscheidungsgrundlage für polizeiliche Maßnahmen wie Personenkontrollen, Ermittlungen und Überwachungen herangezogen wird. Offiziell ist diese Praxis verboten, da sie diskriminierend ist und existiert daher laut Bundesregierung in Deutschland nicht. Allerdings legitimiert das Bundespolizeigesetz (§22 Abs. 1a und §23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG) diese Art der anlasslosen Personenkontrollen, die vornehmlich der Migrationskontrolle, sowie der Verhütung von Straftaten dienen. Ausschlaggebend für die Auswahl der kontrollierten Personen seien „entsprechende Lageerkenntnisse und grenzpolizeiliche Erfahrungen“. Gleichzeitig wird darauf verwiesen, dass stets „ein Kriterienbündel“ vorliegen müsse um polizeiliche Maßnahmen einzuleiten. Das Erscheinungsbild einer Person sei demnach höchstens eines von mehreren möglichen Kriterien. Da diese Praxis erfolgreich sei, werde man auch nicht darauf verzichten, auch wenn dies seit Jahren von offiziellen Institutionen, wie der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI), sowie Vereinen, wie der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) gefordert wird.
Wie das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR, 2013) befand, verstößt Racial Profiling unter anderem gegen das Grundgesetz (Art. 3 Abs. 3), das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, §2 des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, europäische Abkommen (Art. 67 Abs. 2 AEUV, Art. 20 und 21 Schengener Gesetzkodex) sowie das internationale Diskriminierungsverbot. Personenkontrollen nach §22 Abs. 1a BPolG seien demnach menschenrechtswidrig, denn sie verletzen die Würde der Betroffenen, tragen zur Verbreitung von Rassismus bei und sind unvereinbar mit einer effektiven Politik gegen Diskriminierung.
Und auch die Effizienz der Kontrollen ist durchaus in Frage zu stellen. Eine von der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA, 2010) veröffentlichte Studie zeigt, dass etwa jeweils ein Viertel der Befragten aus der Türkei bzw. Jugoslawien in Deutschland im vergangenen Jahr von der Polizei angehalten wurden, während dies nur etwa auf ein Zehntel der Befragten aus der Mehrheitsbevölkerung zutraf. Gleichzeitig gaben die Befragten aus der Türkei und Jugoslawien an, weniger respektvoll behandelt worden zu sein. Verschiedene Untersuchungen zeigten, dass die Trefferquoten für aufgeklärte Straftaten bei Kontrollen aufgrund der ethnischen Zuordnung immer bei etwa zehn Prozent lagen. Dieser Anteil war genauso hoch bei zufälligen Kontrollen der Mehrheitsbevölkerung. Erhöht werden konnte dieser Prozentsatz, indem die Hautfarbe aus dem Kriterienkatalog ausgeschlossen und dafür auf bestimmte Verhaltensweisen geachtet wurde. Eine Forderung, die aufgrund der höheren Effizienz und den weniger schädlichen Auswirkungen auch an die Bundesregierung herangetragen wurde.
Neben fehlenden Belegen für die Effizienz des Racial Profiling, gibt es eindeutige Nachteile für die Betroffenen und die Gesellschaft. Die Praxis ist demütigend, da sie die Betroffenen aufgrund unveränderlicher äußerer Merkmale für Außenstehende in einen Kontext der Kriminalität rückt. Ganze Bevölkerungsgruppen werden pauschal als kriminell verdächtigt, was zu Stigmatisierung führt und Rassismus bestärkt.
Um der Praxis des Racial Profiling etwas entgegen zu setzen, gibt es verschiedene Forderungen und Veränderungsvorschläge. So wurde in einer Petition der Initiative Stoppt Racial Profiling aber auch von der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz die Streichung des §22 Abs. 1a im Bundespolizeigesetz gefordert. Dies trifft auch auf andere Gesetzesbestimmungen zu, die ähnliche polizeiliche Befugnisse beinhalten. PolizeibeamtInnen sollen entsprechend der Grund- und Menschenrechte ausgebildet und geschult werden, es sollten alle Minderheiten unter Polizeibeamten vertreten sein, sie sollten durch Dokumentation und Kennzeichnung für Transparenz sorgen. Schon länger wird eine unabhängige Melde- und Beschwerdestelle für Racial Profiling und andere Delikte durch Polizeibeamte gefordert, um zu gewährleisten, dass überhaupt Ermittlungen aufgenommen werden. Diesen Ansatz verfolgte auch die Aktion „Racial profiling kostet“ der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP). Der Vordruck eines Beschwerdebriefes an die Bundespolizei, sowie zur Verfügung stehende StrafrechtlerInnen bieten eine Handlungsoption für Betroffene oder ZeugInnen von rassistischen Personenkontrollen.
Racial Profiling ist für People of Color Realität und Alltag, auch in Mecklenburg-Vorpommern. Diese polizeiliche Praxis wird von vielen Betroffenen zurecht als ungerecht und rassistisch wahrgenommen. Unabhängig davon, welche Staatsangehörigkeit oder welchen Auffenthaltstitel sie haben, wird ihnen so immer wieder vermittelt, nicht dazu zu gehören und in diesem Land nicht willkommen zu sein.
Die weiße Mehrheitsgesellschaft nimmt von solchen Vorfällen bisher jedoch kaum Notiz. Nur selten protestieren Mitreisende, wenn Personen im Zug oder auf Bahnhöfen nur deshalb kontrolliert werden, weil sie eine dunkle Hautfarbe haben. Auf landespolitischer Ebene spielt die Diskussion um Racial Profiling bisher keine Rolle. So ist es bisher fast ausschließlich den Betroffenen und wenigen UnterstützerInnen überlassen, auf diese diskriminierende Praxis aufmerksam zu machen und Änderungen einzufordern. Keine einfache Aufgabe in einem Bundesland, in dem es bisher nichtmal eine Beratungsstelle für Betroffene rassistischer Diskriminierung gibt.
Der Dokumentarfilm ID – Withoutcolors gibt Einblicke in die Praxis des Racial Profiling und lässt zahlreiche Betroffene zu Wort kommen, die die Folgen dieser polizeilichen Praxis auf eindrucksvolle Weise deutlich machen.