Rechte Gewalt in den “Frontstädten”
vom 1. März 2008 in Kategorie: Artikel
„Werwölfe“ kassieren ab und schlagen zu
Wismar hat seit längerem den Ruf einer Neonazi-Hochburg und geriet in den vergangenen zwei Jahren immer wieder wegen rechter Attacken in den öffentlichen Fokus. So wurde im Jahr 2006 etwa ein togoischer Flüchtling krankenhausreif geprügelt. Im gleichen Jahr griffen Neonazis eine antifaschistische Demonstration mit Baseballschlägern an und konnten von der anwesenden Polizei nur durch entsicherte Dienstwaffen aufgehalten werden. Zu dieser Zeit verfügte die örtliche Szene mit der „Wolfshöhle“ bereits über einen eigenen Konzertund Veranstaltungsraum.
Im vergangenen Jahr registrierten LOBBI-MitarbeiterInnen in Wismar insgesamt 14 Angriffe. Flüchtlinge und ausländische Studierende wurden attackiert. Eine Demonstration gegen die örtliche rechte Szene wurde mit Stahlkugeln beschossen, VertreterInnen des Netzwerks für Demokratie und Toleranz wurden bedroht und angegriffen. Anzahl und Qualität der Angriffe müssen im Zusammenhang mit dem Erstarken der örtlichen Szene gesehen werden. Diese hat in der Stadt eine Infrastruktur aufgebaut, die in dieser Dichte im Bundesland einmalig ist – mit Szeneshop, Tattoostudios und Versandhandel wird Geld verdient. Ein „nationales Wohnprojekt“, eine Kneipe und Proberäume bieten weitere Treffpunkte. Entsprechend selbstbewusst präsentiert sich die Szene mit „Werwölfe Wismar“ und „Hafenfrontstadt Wismar“-T-Shirts im Stadtbild. Die Stadtverwaltung schwieg lange Zeit zu dieser Entwicklung. Auch die im letzten Jahr ins Leben gerufene Imagekampagne „Neugierig. Tolerant. Weltoffen“ vermag an den Problemen in der Stadt wenig zu verändern.
„Aus der Bewegung für die Bewegung“
Anders stellt sich die Situation in Rostock dar. Zwar existiert auch dort eine große rechte Szene, der es in den vergangenen Jahren jedoch an zentralen Treffpunkten und gemeinsamen Themen fehlte. Im Juni 2007 eröffnete dann der Shop East Coast Corner. Dass es hierbei nicht nur um kommerzielle Interessen geht, sondern vor allem um eine gezielte Provokation, ist offensichtlich. Zwei altgediente Hamburger Neonazikader – Thorsten de Vries und Torben Klebe – wollen einen Treffpunkt in einem eher alternativ geprägten Stadtteil etablieren und dem zu erwartenden Protest standhalten. Dabei erhielten sie von Anfang an Hilfe von der NPD. Sie organisierte Aufmärsche zur Unterstützung, hielt eine Pressekonferenz im Laden ab und meldete eine „Mahnwache“ an. Wahlkreismitarbeiter David Petereit drohte vor dem Geschäft DemonstrantInnen mit einer Eisenstange. Schließlich eröffnete die Partei im selben Haus sogar ein Wahlkreisbüro.
Schnell erklären die Rechten Rostock zur „Frontstadt“ und machen in den folgenden Wochen und Monaten deutlich, was sie darunter verstehen. Immer wieder kommt es zu Beleidigungen, Bedrohungen und Körperverletzungen gegen AnwohnerInnen und Protestierende. Insgesamt 12 Vorfälle, die in Zusammenhang mit dem Shop stehen, wurden MitarbeiterInnen von LOBBI im zweiten Halbjahr 2007 bekannt. Einige dieser Angriffe wurden nicht zur Anzeige gebracht, da die Betroffenen in der näheren Umgebung des Ladens wohnen und Rache fürchten.
Viele andere lassen sich von den brutal agierenden Nazis jedoch nicht einschüchtern. Da der vielseitige und breit getragene Protest gegen den Laden nicht abreißt, ist nach wie vor ungewiss, ob der Shop sich etablieren kann.