Zum Nachdenken gebracht?
vom 14. Februar 2018 in Kategorie: Artikel
Mehr als ein Jahr und neun Monate dauerte es, bis sich die beiden in Wismar lebenden Männer am 21. November 2017 für ihre Taten verantworten mussten. Sie waren wegen gefährlicher Körperverletzung bzw. Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und Sachbeschädigung angeklagt worden. Eine längere Beweisaufnahme erübrigte sich, weil sie umfangreiche Geständnisse ablegten. Nur zu ihrer Motivation wollten sie sich zunächst nicht eindeutig äußern. Vielmehr begründeten sie ihre Taten mit ihrer damaligen Alkoholisierung. Auf mehrfache Nachfrage und nachdem sie mit ihren damaligen, beleidigenden Sprüchen konfrontiert wurden, gaben sie schließlich zu, aus rassistischen Motiven gehandelt zu haben.
Der Vorsitzende Richter sprach in seiner Urteilsbegründung von einem »zweifelsfrei rechtsradikalen Hintergrund«. Er machte außerdem deutlich, dass diese Tat gegenüber Weißen so nie statt gefunden hätte.
Zwar trafen die Schläge letztendlich einen weißen Mann – dies aber nur, weil er sich schützend vor die beiden jugendlichen Geflüchteten gestellt hatte und die Situation deeskalieren wollte. Der in der Unterstützung von Geflüchteten aktive Mann schloss sich dem Prozess am Wismarer Amtsgericht als Nebenkläger an. Er hatte die beiden jungen Männer aus Eritrea am Tattag bei einem Umzug unterstützt. Denn einer von ihnen, der zuvor in einer Obdachlosenunterkunft wohnen musste, hatte endlich eine eigene Wohnung bekommen. In der Verhandlung schilderte er den damaligen Angriff und die für ihn nach wie vor andauernde psychische Belastung durch die Tat auf sehr emotionale Weise. Besonders bedrückte ihn das Motiv der beiden jungen Rechten. Der Einsatz eines Messers und dessen mögliche Konsequenzen beschäftigen ihn noch lange nach dem Angriff. Er wies auch daraufhin, dass der junge Mann aus Eritrea nach dem Angriff nicht angstfrei in seiner neuen Wohnung leben konnte. So folgte dem Umzug unmittelbar die langwierige Suche nach einer neuen Wohnung.
Der zum Zeitpunkt der Verhandlung 23-jährige Täter, der damals zugeschlagen hatte, erhielt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, sein zwei Jahre älterer Begleiter eine von zwei Jahren. Beide Strafen wurden für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Frühere Verurteilungen bzw. weitere Anklagen wurden in das Strafmaß miteinbezogen.
Mit dem Urteil zeigten sich der Nebenkläger und die beiden jungen Geflüchteten zufrieden. Sie waren zunächst als Zeugen geladen, wurden dann aber nicht gehört. Der damals glücklicherweise nur leicht verletzte Mann meinte nach Prozessende: »Es ging mir nicht darum, dass die beiden Täter ins Gefängnis kommen, sondern dass sie aus dieser Gerichtsverhandlung etwas lernen. Ihre Entschuldigungen habe ich angenommen, weil ich hoffe, dass sie es ernst meinen und nie mehr Menschen wegen ihrer Hautfarbe beleidigen oder angreifen.«
Dies war möglicherweise tatsächlich der Fall. Beide Angeklagten entschuldigen sich nach der Verhandlung nochmals bei den drei Betroffenen. Vor und während Gerichtsverhandlungen passiert so etwas regelmäßig. Nicht selten haben solche »Entschuldigungen« jedoch rein taktische Gründe. Den Angeklagten ist sehr wohl bewusst, dass gezeigte Reue für gewöhnlich als strafmildernd berücksichtigt wird, auch wenn sie nicht ernst gemeint ist. Eine nochmalige Entschuldigung nach dem Urteilsspruch ist dagegen eine echte Ausnahme.