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Das Leben in der Isolation

vom 16. Juli 2013 in Kategorie: Artikel

Rafi ist 16 Jahre und kommt aus Afghanistan. Er geht in Anklam zur Schule und lebt mit seiner Familie in der dortigen Flüchtlingsunterkunft.

Rasak, 18 Jahre, aus Ghana ist allein nach Deutschland gekommen und wohnt in der Gemeinschaftsunterkunft in Wolgast.

Wie lange seid Ihr schon in Wolgast beziehungsweise in Anklam im Flüchtlingswohnheim und wie geht es Euch dort?

Rafi: Wir sind fast 23 Monate in Anklam. Es geht uns immer schlecht und ist langweilig. Die Leute in der Stadt sind unfreundlich und wollen keinen Kontakt mit uns haben.

Rasak: Ich bin seit sechs Monaten in Wolgast. Es ist nicht gut in Wolgast. Die Menschen, die Umgebung, das Heim. Wir können uns nicht verständigen.

Wie würdet Ihr die Situation im Heim und in der Stadt aus Eurer Sicht beschreiben?

Rasak: Es ist wie im Gefängnis. Wir können nichts machen. Alles was wir tun ist essen, schlafen und im Apartment bleiben. Die Menschen draußen haben viel Hass in ihren Herzen. Man sieht den Hass in ihrem Blick.

Rafi: Die frühere Heimleitung war nicht so gut. Sie haben uns nicht geholfen und waren bestimmt gegen uns. Seit sechs Monaten ist es besser. Die Heimleitung hilft uns und ist nett. Trotzdem gibt es keinen Deutschkurs. Meine Eltern sind seit zwei Jahren hier und sprechen kein Deutsch. Ich versuche in der Schule das meiste zu ver

stehen, aber Sprechen ist immer noch schwierig. In der Stadt ist es ganz schlecht. Wir haben keinen Kontakt zu den Leuten und sie zeigen uns oft den Mittelfinger. Niemand fragt wie es uns geht oder ob wir etwas machen wollen. Wenn wir zum Beispiel in der Tafel [Anm.: kostenlose Ausgabe von Lebensmitteln] etwas zu Essen holen wollen, müssen wir uns immer als Letzte anstellen, egal wann wir gekommen sind und bekommen nur die schlechten Sachen. 90 Prozent der Leute haben ein Problem mit uns. Man kann auch sagen sie hassen uns. Es gibt aber auch Leute, die ok sind; aber sie wollen trotzdem keinen Kontakt.

Habt Ihr Erfahrungen mit rassistischen Anfeindungen gemacht – auf der Straße oder im Heim?

Rafi: Letztes Jahr kamen Autos hier ans Heim und haben geschrien und gehupt. Leute sagen manchmal: »Hier ist kein Ort für Ausländer« oder »Scheiß Ausländer« und zeigen uns den Mittelfinger. Zwei oder dreimal wurden uns auch schon Flaschen nachgeworfen auf der Straße und im Park.

Rasak: Es gab solche Situationen. Einmal war ich mit meinem Freund Mahmud unterwegs und ein Typ zeigte uns den Mittelfinger. Dann kam sein Freund und sie wollten mit uns kämpfen. Wir sind gegangen, weil es das nicht wert ist. Ein anderes Mal wollten wir ins Café und eine Gruppe ging vor uns. Sie wollten uns nicht durchlassen und wir haben gemerkt, dass sie uns etwas Böses wollten. Oft starren uns die Leute an und zeigen uns den Mittelfinger. Wir fühlen uns wie 2Pac „We see no changes, all we see is racist faces“.

An wen wendet Ihr euch, wenn so etwas passiert und welche Erfahrungen habt Ihr damit gemacht?

Rafi: Wenn etwas passiert hat die Heimleitung früher gesagt, das ist unser Problem und wir müssen es alleine lösen. Auch die Wachmänner früher waren schlimm und haben uns nicht geholfen.

Rasak: Wem sollen wir es sagen? Die Mitarbeiter im Heim sind genauso rassistisch. Sie fühlen nicht mit uns. Sie haben keine Sympathie für uns und geben uns die falschen Ratschläge.

Wenn Ihr etwas ändern könntet, was wäre es dann?

Rafi: Wir möchten gerne hier weg, in eine größere Stadt. Wir haben schon einen Antrag auf Umverteilung gestellt, der aber abgelehnt wurde. Wir wollen auch Kontakt haben zu den Leuten. Weder in der Schule noch beim Sport sprechen die Menschen mit uns.

Rasak: Ich will nicht mehr von irgendwem abhängig sein, sondern mein eigenes Ding machen. Ich will woanders leben. Wir wollen arbeiten und für uns selbst sorgen.

Möchtet Ihr noch irgendetwas sagen, worüber wir noch nicht gesprochen haben?

Rasak: Wenn es doch Leute gibt die ein Interesse für unsere Situation haben und die gut sind, freuen wir uns über Unterstützung.

Rafi: Die medizinische Versorgung hier ist ein Problem. Meine Eltern haben Beschwerden und wir alle mussten schon ins Krankenhaus. Dort nehmen sie das Geld vom Sozialamt, aber behandeln uns nicht ordentlich.

Auch die Menschen hier sind ein Problem. In zwei Jahren hat nie jemand gefragt, wie es uns geht und warum wir hier sind. Ich habe gedacht, die Menschen haben Interesse an Kontakt. In meiner Klasse sind sie vielleicht noch zu jung, um es zu verstehen oder die Eltern haben ihnen den Kontakt verboten oder denken schlecht über Ausländer.

Viele Deutsche hier denken, sie sind keine Ausländer in anderen Ländern, sondern Touristen. Sie können sich nicht vorstellen, dass deutsche Leute mal Krieg hatten. Im Ersten oder Zweiten Weltkrieg sind auch Deutsche nach Afghanistan gegangen. Alle Menschen sind Ausländer, fast überall.

Wo siehst Du Dich in fünf Jahren?

Rafi: Ich will keinen Krieg, ich will meine Ruhe haben. Ich möchte schon in Deutschland leben, aber nicht in Anklam, Sport machen, Informatik studieren. Ich will ein gutes Leben hier haben und nicht so eine große Katastrophe wie jetzt.