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«Eine Positionierung: Ja, wir haben ein Problem!»

vom 25. März 2009 in Kategorie: Artikel

Im August letzten Jahres wurde eine Gruppe von Euch durch vermummte Rechte angegriffen. Kam es schon vorher zu derartigen Übergriffen?

S: Nein. Na ja, zumindest nicht mit so schweren Folgen, also nie mit so ernsthaften Verletzungen. Eines der Opfer musste ja für drei Tage ins Krankenhaus, wegen einer Lungenprellung. Mir wurden allerdings vor einem Supermarkt schon mal die Beine weggetreten.

F: Zwischenfälle gab es schon. Besonders im Sommer ein oder zwei Mal in der Woche. Es ist uns immer präsent, dass es Nazis gibt, es kam öfter zu Beschimpfungen mir wurde wegen eines „Gegen Nazis“ Aufnähers mit einem Totschläger gedroht. Bei einem Freund von uns wurde dreimal versucht, die Fensterscheiben einzuwerfen.

Wie reagiert Ihr auf solche Attacken?

M: Ich bin auf jeden Fall vorsichtiger geworden. Vor allem abends, wenn man durch die Straßen geht, sieht man sich um oder hört, ob jemand grölt oder schaut nach bekannten Autos. S: Wenn ich allein bin, achte ich darauf, Wege zu nehmen, bei denen ich noch Ausweichmöglichkeiten habe.

F: Und wir versuchen, gerade nachts nicht allein zu gehen. Es ist auch klar, dass wir Freunde anrufen können, wenn was los ist. Alle wissen halt: Das könnte mir ja auch passieren.

Antifaschistische Gruppen organisierten eine Demonstration nach dem Angriff im Sommer. Wie habt Ihr die Demonstration empfunden?

M: Ein extrem solidarischer Akt und ein gutes Zeichen. Man hatte das Gefühl, dass sich andere für uns und die Situation in Malchin interessieren.

S: Gelungen ich fand es einfach nur gelungen. Eine gute Gegenreaktion und danach war es etwas ruhiger.

F: Ich habe auch gemerkt, dass Rechte, die sich immer schlagen wollten, sich dann zurückgehalten haben.

Allerdings gab es dann am 29. November erneut eine rechtsmotivierte Gewalttat.

F: Ja, an diesem Abend haben wir im Keller vom Stadthaus eine LAN-Party organisiert.

M: Als ein Freund von uns dort ankam, wurde er von ein paar Rechten gestoppt und als „Zecke“ beschimpft. Dann prügelten sie mit einer Metallstange auf ihn ein. Er hatte einen gebrochenen Finger, ein Schädeltrauma und vorübergehend auch eine Art Amnesie. Danach trieben sie ihn noch durch den Keller des Hauses.

Der Schläger hat laut Polizei Verbindungen zur Neonazi-Gruppierung Kameradschaft Malchin. Wie schätzt Ihr die rechte Szene in der Stadt ein?

S: Das ist so eine Mischung aus Saufnazis, die betrunken gefährlich werden, und Kameradschaftsnazis. Der Kreis der extrem Organisierten ist gar nicht mal so groß, vielleicht zehn Personen, und dann kommen halt noch Mitläufer dazu.

M: Die fallen aber durch regelmäßige Nacht-und-Nebel-Aktionen auf: Plakatieren, Aufkleber in der ganzen Stadt verteilen, Sprühschablonen zum Rudolf-Hess-Todestag und Parolen an Häuserwänden oder Bushaltestellen.

F: Malchiner nahmen auch an Aufmärschen beispielsweise in Berlin, Rostock oder Neubrandenburg teil. Und es gibt Kontakte zur NPD, nach Teterow, Gnoien und Demmin.

M: Ich habe den Eindruck, die Kameradschaft ist so eine Art Verteilerstation für andere Neonazigruppen in der Region. Also ich weiß, dass die Aufkleber und so was nach Demmin schicken.

Es gab in der Stadt Diskussionen um ein Fanprojekt des Fußballvereins mit den Peene ViKinGs. Wie seht Ihr diese Gruppe?

F: Es gibt wohl schon ein paar normale Leute, die auch von den Vikings angetan sind. Inwiefern man die zur rechten Szene zählen kann, ist fraglich. Ich persönlich würde aber sagen, dass der Kern fast eins zu eins mit der Kameradschaft übereinstimmt. Die Nazis tragen ja auch Pullover von den Peene Vikings.

M: Auf mich wirkt das so, als wenn die Rechten dadurch versuchen wollen, ihre Kreise auf neutrale Jugendliche auszuweiten. Um denen was zu bieten. F: Die haben eben auch Kontakte nach Neustrelitz und Waren zu anderen Rechten und fahren da zu Fussballspielen.

Wie werden rechte Strukturen und die Angriffe in Eurem persönlichen Umfeld oder überhaupt in der Stadt wahrgenommen?

F: Die Leute werden langsam etwas offener in dieser Hinsicht. Es gibt auch Menschen, die Aufkleber und so entfernen. Auch bei einem Bildungsgipfel wurde das Problem thematisiert und es soll einen Präventionsrat geben.

M: Nach dem Angriff im November hat sich der Bürgermeister erstmals dafür interessiert. Das war schon krass. Und er hat uns zu einem Gespräch eingeladen und wollte wissen, was da im Stadthaus passiert ist. Und von Seiten der Stadt wurden wir auch beim Finden neuer Räume unterstützt, das war gut.

F: Von Seiten der Polizei wird das gewalttätige Potential der Nazis aber nicht immer ernst genommen.

Welche Veränderungen wünscht Ihr Euch?

M: Mehr öffentliche Aktionen, nicht nur ein kleiner Bericht im Stadtblatt. Eine klare Positionierung: Ja, wir haben ein Problem. Sonst entsteht nach außen der Eindruck, da hat niemand etwas dagegen.

F: Dass dem Thema Nationalsozialismus an der Schule mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, als das jetzt in einigen Klassen der Fall ist oder jüngere, motiviertere Lehrer eingesetzt werden.

Wie seht Ihr denn die Zukunft in Malchin, was diese Entwicklungen betrifft?

S: Das mit den Nazis wird, glaube ich, schlimmer. Weil wir weniger Leute werden. Ein paar von uns gehen studieren oder ins Ausland.

F: Und das spielt den Nazis in die Hände. Weil eine Gegenkultur fehlt und die Rechten sich längerfristig was aufbauen. Das geht bei uns nicht, wenn man weiss, dass die Leute nach der Schule weggehen. Und dann sind ja auch noch Kommunalwahlen.

Vielen Dank für das Interview!