-> header -> single
-> content-slider

Kaderschmiede – Kinderstube

vom 1. März 2008 in Kategorie: Artikel

„Wir brauchen Kämpfer von fanatischer Besessenheit“ (HDJ)

Die wichtigste Jugendorganisation deutscher Neonazis existiert in ihrer heutigen Form seit 2001 und ist als Verein mit dem Namen Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) – Bund zum Schutz für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V. eingetragen. Sie steht in der Tradition völkischer Jugendarbeit. Wichtigstes Vorbild ist dabei die im Jahr 1994 verbotene Wikingjugend (WJ), die sich ihrerseits offen in die Tradition der Hitlerjugend stellte und seit 1952 existierte.

Auch bei den Aktivitäten der HDJ geht es vor allem um „soldatische Erziehung“ und ideologische Schulung der rechten Kader von morgen. Im Mittelpunkt stehen regelmäßige Zeltlager mit meist paramilitärischem charakter, aber auch gemeinsame Ausflüge und Auslandsfahrten. Es werden eigene Kulturveranstaltungen mit „deutschem Liedgut“, „Heldengedenken“ und Treffen mit „Zeitzeugen“ organisiert.

Adressat solcher Angebote sind Kinder und Jugendliche von 7 bis 25 Jahren. Dabei geht es der HDJ weniger um Breitenwirkung, als viel mehr um die Ausbildung des eigenen Nachwuchses. TeilnehmerInnen von HDJ-Lagern kommen daher vor allem aus den eigenen Reihen.

Bei bundesweit organisierten Aktivitäten treffen sich bis zu 350 Personen, die sich mit Vorliebe in „Kluft“ präsentieren. Diese Uniform besteht für Mädchen und Frauen aus „Mädelbluse“ und langem blauen Rock. Männliche HDJler tragen Zimmermannshose und Grauhemd bzw. „Jungenschaftsjacke“. Ergänzt wird dies durch HDJ–Symbol und Rangabzeichen.

Das Bundesinnenministerium hat der Organisation im Herbst 2007 das Tragen von Uniformen verboten. Dies scheint deren AktivistInnen wenig zu beeindrucken. Im Gegenteil: In der HDJ Postille „Funkenflug“ gibt man sich selbstbewusst: „Wir entscheiden immer noch selbst, welche Kleidungsstücke wir tragen.“

Im „Funkenflug“ wird Klartext gesprochen. Dort wird erklärt, „dass wir unserem Deutschen Reich verschworen sind.“ Für aktuelle soziale Probleme werden Konzepte „mit Anlehnung an die erfolgreichen Maßnahmen der 1930er Jahre“ gefordert, und sich selbst sehen die HDJler als „Stachel im Fleisch der Spießer und Vaterlandsverräter.“

„Die machen sehr gute Jugendarbeit“ (Udo Pastörs)

Die HDJ ist bundesweit organisiert und gliedert sich in so genannte Einheiten. Seit Januar 2006 gibt es auch eine „Einheit Mecklenburg und Pommern“. Diese hat ihre regionalen Schwerpunkte im Raum Greifswald und im Landkreis Ludwigslust und zählt mittlerweile zu den bundesweit aktivsten Gruppen. Gerade in Mecklenburg-Vorpommern fällt eine enge Verbindung zur NPD und den führenden Kameradschaftsstrukturen auf. So ist der Landesvorsitzende der NPD Stefan Köster in der HDJ aktiv. Zuvor war er Mitglied der inzwischen verbotenen wikingjugend, mit der auch der Vorsitzende der Landtagsfraktion Udo Pastörs marschierte. Der Landtagsabgeordnete Tino Müller ist ebenso Mitglied der HDJ bzw. deren Umfeld zuzurechnen wie die Landtagsmitarbeiter bzw. Wahlkreismitarbeiter David Petereit, Torgej Klingbiel, Jörg Hähnel, Michael Gielnik, Andreas Theißen, Mario Kannenberg und Michael Grewe.

Weiterhin spielen die Greifswalder Neonazis Ragnar Dam (Führer der „Einheit Mecklenburg und Pommern“), Lutz Giesen und Frank Klawitter eine wichtige Rolle. Letzterer war jahrelang beim Technischen Hilfswerk (THW) aktiv und engagiert sich heute im so genannten Technischen Dienst der HDJ, der für Aufbau und Infrastruktur der Zeltlager zuständig ist.

Sehr umtriebig ist der in Rostock lebende David Petereit. Neben seiner Rolle bei der NPD versucht er sich als Fotograf von GegendemonstrantInnen und betreibt den Versandhandel Levensboom. Außerdem ist er im Vorstand des Kulturkreises Mecklenburg-Strelitz, zeichnet für das Kameradschaftsbündnis meCklenburgisCHe aktionsfront verantwortlich und ist an der Organisation des seit mittlerweile fünf Jahren stattfindenden „Tollensemarsches“ beteiligt. An dieser 40 Kilometer langen Wanderung nimmt auch die HDJ teil. Im vergangenen Jahr wurde unter anderem die „Bundesmädelführerin“ Holle Böhm aus Brandenburg unter den TeilnehmerInnen gesichtet. Gemeinsame Aktivitäten verbinden die HDJ auch mit dem Kameradschaftsnetzwerk Soziales und Nationales Bündnis Pommern (SNBP) und dem Heimatbund Pommern (HbP). So führten HDJ und HbP bereits im Jahr 2005 ein gemeinsames Osterlager durch. Mitglieder von SNBP und HDJ reisten im Sommer 2006 gemeinsam nach Schweden, um sich dort mit skandinavischen Neonazis zu treffen. Und wieder mit dabei: Holle Böhm und David Petereit.

„Die Kinder sollen am Ende Neonazis werden. Das darf nicht sein.“ (Prof. Frankenberg)

Für viele BeobachterInnen ist die HDJ momentan eine der gefährlichsten Neonazigruppierungen der BRD. Sie arbeitet nach dem Führerprinzip, orientiert sich eindeutig an der verbotenen Wikingjugend und ist ihren Inhalten nach rassistisch, antisemitisch, antimodern und per se nationalsozialistisch.

Besonders bedrohlich erscheint die „Erziehungsarbeit“ der HDJ jedoch, „weil sie zugreift auf die Seele von Kindern und Jugendlichen…“, so Professor Günter Frankenberg in einem Beitrag des Fernsehmagazins Panorama. In dieser braunen Parallelwelt werden Kinder und Jugendliche geschult und gedrillt. Aus ihnen sollen die rechten Kader von morgen werden. Deshalb werden sie zu „aggressiven Kämpfern…“ erzogen, so der Rechtswissenschaftler.

Es ist unbegreiflich, warum diese Organisation so lange nahezu ungestört agieren konnte. Langsam scheint es in der Politik ein Umdenken zu geben. Stimmen nach einem Verbot des Vereins werden laut. Sicher wäre ein solches Verbot geeignet, die Aktivitäten der HDJ zu unterbinden.

Es greift jedoch zu kurz, die Organisation vordergründig als ordnungspolitisches Problem wahrzunehmen. Nicht verboten ist eben keineswegs gleichzusetzen mit nicht gefährlich. Vielmehr gilt es immer wieder über die gefährlichen Ziele der HDJ und ihrer Kader aufzuklären und sie nicht weiterhin unbeobachtet agieren zu lassen.

Breiter gesellschaftlicher Protest gegen diese Neonazigruppierung ist dringend geboten. Da erscheint es wenig hilfreich, wenn die Polizei im Zusammenhang mit dem Osterlager in Tückhude lediglich mitteilt, dass sie „eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausschließen“ konnte. Denn in solchen Lagern werden Menschen dafür geschult, das „System abzuschaffen“ und durch einen „freien deutschen Volksstaat“ zu ersetzen.

Dieser Artikel basiert in erster Linie auf Informationen aus dem Buch von Andrea Röpke. „Ferien im Führerbunker – Die neonazistische Kindererziehung der „Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ)“; zu bestellen unter www.arug.de. Die LOBBI organisiert mit Kooperationspartnern eine Vortragsreihe mit der Autorin und Politologin