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Kein sicherer Ort

vom 19. Dezember 2015 in Kategorie: Artikel

Die rassistische Mobilisierung hat in den letzten Monaten einen Höhepunkt erreicht. Fast täglich finden Kundgebungen sogenannter Asylkritiker_innen statt, in sozialen Netzwerken wird offen rassistisch gehetzt und es gibt immer mehr Übergriffe auf Geflüchtete und deren Unterstützer_innen. Angeheizt von dieser Stimmung, agieren Neonazis und Rassist_innen auch im direkten Wohnumfeld von Geflüchteten und People of Color. Tägliche Schikanen fördern ein Klima der Angst zutage, was es für die Betroffenen mitunter unmöglich macht, sich sicher zuhause oder in ihrem Wohnviertel zu bewegen. Durch Blicke, Gesten, Äußerungen und gezielte feindselige Handlungen wird ihnen unmissverständlich klar gemacht: Ihr seid hier nicht willkommen!

Angst vor dem Schlimmsten

Diesem rassistischen Mobbing, das im Einzelnen häufig keinen Straftatbestand erfüllt, in der Gesamtheit jedoch als psychische Gewalt gewertet werden muss, sehen sich die Betroffenen meist hilflos ausgesetzt. Die Polizei, häufig nicht mit Fremdsprachenkenntnissen ausgestattet, nimmt keine Anzeige auf und kann nicht zum Schutz beitragen. Nicht selten wurden Betroffene in der Vergangenheit darauf hingewiesen, sie erst zu alarmieren, wenn tatsächlich ein Übergriff stattgefunden hat. Bei der Unterbringung von Geflüchteten gibt es, abgesehen von den Gemeinschaftsunterkünften, kein Schutzkonzept, und häufig fehlt es auch an Unterstützungsstrukturen, an die sich Betroffene wenden können. Neben der akuten Bedrohung sind viele Geflüchtete durch traumatische Ereignisse in ihrem Herkunftsland belastet, die ebenfalls zu einem permanenten Gefühl der Angst führen. Sicherheit, die sie gehofft hatten hier zu finden, kann nicht gewährleistet werden, zumal die Schwelle, Gewalt anzuwenden, in der hiesigen Gesellschaft immer weiter sinkt.

Warten, bis etwas passiert?

Gerade in dieser Situation ist es wichtig, den Betroffenen solidarisch zur Seite zu stehen und damit das Gefühl der Ohnmacht zu vermeiden. Eine Dokumentation der Vorfälle kann hilfreich sein, um das Ausmaß der Schikanen zum Beispiel bei der Polizei oder dem Vermieter deutlich zu machen. Werden Straftatbestände wie Beleidigung, Bedrohung oder Sachbeschädigung erfüllt, gibt es die Möglichkeit, Anzeige zu erstatten. Sollte der Polizei bekannt geworden sein, dass es zu rassistischem Mobbing und Anfeindungen gekommen ist, können die Betroffenen nach einer direkten Durchwahl der den Fall bearbeitenden Beamt_innen fragen. Auch wenn es das Ziel der Täter_innen ist, die Betroffenen einzuschüchtern und zum Wegzug zu bewegen, kann genau das auch eine Entlastung und Wiederherstellung des Gefühls von Autonomie und Sicherheit bewirken. Weitere Hinweise finden sich in der Broschüre »Im Fokus von Neonazis«, die auf der Internetseite der LOBBI heruntergeladen oder in den beiden Regionalbüros bestellt werden kann. 

Forderungen

Rassistisches Mobbing beziehungsweise Einschüchterungsversuche sind bisher nicht strafbar. Sicherheitsbehörden sollten jedoch für Rassismus sensibilisiert werden. So ist es unter anderem dringend erforderlich, dass Notrufzentralen mehrsprachig besetzt sind. Die empfundene Drohkulisse sollte ernst genommen und nicht heruntergespielt werden, nur weil in den Augen der Beamt_innen keine Straftatbestände wie Nötigung oder Bedrohung erfüllt sind. Ferner sollten andere präventive Möglichkeiten der Polizei wie sogenannte Gefährderansprachen, in denen die Täter_innen gezielt auf die Folgen der möglichen Begehung einer Straftat hingewiesen werden, genutzt werden. 

Auch fehlt es in Mecklenburg-Vorpommern nach wie vor an einer spezialisierten Antidiskriminierungsberatung. Häufig sind Betroffene rassistischen Mobbings auch anderen Formen der Diskriminierung ausgesetzt. Zudem wäre es sinnvoll, wenn Geflüchtete und anerkannte Flüchtlinge nicht in einem Wohnumfeld untergebracht werden, in dem von vornherein klar ist, dass ihre Sicherheit dort nicht garantiert werden kann.